ANSPRUCH & WIRKLICHKEIT!?

■ Weiße Experten in schwarzer Kultur - zu Rassismen in der taz

Wir sind wütend und enttäuscht - wir, das sind schwarze Menschen in Berlin, die zum wiederholten Male miterleben mußten, wie „weiße Experten in schwarzer Kultur“ sich auf unsere Kosten exponieren oder einfach nur auskotzen!

Da war er mal wieder am Werk - dieser weiße Afro-Experte Torsten Alisch - und lieferte uns am 2. Februar in der taz ein Lehrstück namens „zivilisiert“. In den Versuch einer Kulturkritik verpackt, doziert Alisch über das 3. Black International Cinema Berlin, das vom 1. bis 5. Februar im Arsenal stattfand, und benutzt in seinem Artikel Begriffe wie „weiße Nigger mit scheißebrauner Hautfarbe“, um Michael Jackson zu beschreiben, oder bezeichnet Tracy Chapman als „TopNegerIn“, ohne diese Begriffe auch nur im Ansatz reflektiert zu haben, geschweige denn, daß er uns diese im Gespräch erklären konnte. Nun kann man von Michael Jackson oder Tracy Chapman halten, was man will, nur darf sich kein noch so dummer Weißer einbilden, irgendeinen schwarzen Menschen als „schwarzen Bleichling“, „Neger„ oder „Nigger„ betiteln zu dürfen. Nicht nur, daß Alisch rassistische Begriffe benutzt und sie in der „linken Tageszeitung“ publizieren darf, er bildet sich auch ein, uns Schwarze belehren zu müssen, welche Filme denn die „wichtigste schwarze Gegenwartskultur“ darstellen bzw. „intelligent“ seien oder nicht.

Alisch entlarvt sich selbst als Rassisten und dummen Sprücheklopfer, wenn er mit folgenden Sätzen intellektuelle Schwarze beleidigt: „Entweder diese ganze gebildete Ob -schwarz-ob-weiß-Professoren-UniversitätsTanzWorkshop-Clique kriegt wirklich nichts mit, was nicht in schlauen Büchern steht, oder dieses Festival ist ein fake von schwarzen Bleichlingen, die sich bei der Beschäftigung mit schwarzer Kultur hirnfickend einen runterholen.„

Abgesehen von dem unüberbietbaren Maß an Unverschämtheit, den dieser Satz beinhaltet, fehlt auch jeglicher journalistischer Stil. Schlimmer noch: Er unterstellt uns Schwarzen hier die Anbiederung an das, was (O-Ton Torsten Alisch) „für europäische Kulturkenner annehmbar„ sei. WohlWEISSlich schiebt T.A. noch schnell hinterher, was er offensichtlich in „eingehenden Afro-Studien„ zum Thema schwarze Kultur herausgefunden hat: „Rap und Hiphop, diese schwarzen Geschenke des Himmels!„ seien das, was schwarze Kultur heute ausmache. Jegliche Art von Intellektualität wird uns abgesprochen - das altbekannte Vorurteil von der Nur-Emotionalität der Schwarzen wird wiedergekäut.

Es stimmt, daß Alisch sein Machwerk schlecht recherchiert hat (er zieht über den Sechsteiler „Eyes on the Prize“ her und hat nur einen einzigen Teil gesehen, und das vor zwei Jahren!); es stimmt, daß sein Artikel vor Selbstdarstellung nur so strotzt; es stimmt aber leider auch, daß dieses Stück „Scheiße„ für die bundesdeutsche Presse generell charakteristisch ist und daß selbst die „alternative linke Tageszeitung“ nicht gegen Rassismen, die von Alisch benutzt wurden, immun ist.

Obwohl die taz in den letzten Monaten schon mit antisemitischen und sexistischen Artikeln aufwartete - über den Satz „gaskammervoll“ ist viel geredet worden - und auch Konsequenzen gezogen zu haben schien, herrscht in den Köpfen vieler RedakteurInnen immer noch eine riesige Kluft zwischen dem Anspruch, „alternativ, links, progressiv und antirassistisch“ zu sein, und der Wirklichkeit. Wie ist es sonst zu erklären, daß die zwei verantwortlichen taz -RedakteurInnen, die Alischs Artikel gelesen haben, nicht sofort reagierten, sondern dieses Geschwätz lediglich als „üble Polemik“ empfanden? In der taz-Ausgabe vom 8. Februar äußern einige RedakteurInnen den Verdacht, der Alisch -Artikel sei eine Reaktion der Berlin-Kultur-Redaktion auf die Antisemitismus-Debatte innerhalb der taz, die im Dezember zur Entlassung von zwei Redakteurinnen führte. Sollte das zutreffen, ist auf unserem Rücken ein innerredaktioneller Kampf ausgetragen worden. Wie vereinbart sich das mit linkem Selbstverständnis der taz?

Es ist einfach nicht wahr, daß Linkssein gleichzeitig auch Antirassistischsein bedeutet! Im Gegenteil, gerade weil die Linke meint, antirassistisch zu sein, und sich so bequem einer Rassismus-Debatte entzieht, ist es immer wieder möglich, daß solche Artikel wie der von Alisch in der taz erscheinen.

Der Rassismus in den bundesdeutschen Medien spiegelt den Rassismus in der bundesdeutschen Gesellschaft wider. Das Unverständnis der linken Presse im Umgang mit Rassismen wirft für uns Schwarze die Frage auf, wie wir u.a. gemeinsam gegen rassistische Stereotypen in den Medien kämpfen oder gegen die Neonazis in dieser Stadt - die „Republikaner“ vorgehen können.

Gerade diese rassistischen Stereotypen, die unreflektiert in der Presse Verbreitung finden, machen die Notwendigkeit deutlich, daß schwarze Menschen sich politisch organisieren müssen. Eine dieser Organisationen ist die Initiative Schwarze Deutsche (ISD).

Die ISD wurde 1986 in verschiedenen bundesdeutschen Städten mit dem Ziel gegründet, ein Forum für schwarze Menschen zu bilden, in dem die Erfahrungen mit dem deutschen Rassismus untereinander ausgetauscht und Strategien zu seiner Bekämpfung erarbeitet werden können.

Ein wichtiger Bestandteil unserer auf individuellen Erfahrungen basierenden Analyse der bundesdeutschen Gesellschaft ist unsere Erkenntnis, daß nicht wir als schwarze Deutsche ein Problem mit dieser Gesellschaft haben, sondern daß die deutsche Gesellschaft, aufgrund des in ihr vorhandenen Rassismus, Probleme mit uns hat und diese in Diskriminierungen, Feindseligkeiten und oft auch offener Gewalt uns gegenüber ausdrückt.

Unsere Arbeit erstreckt sich sowohl auf den politischen als auch auf den kulturellen Bereich. Durch das Aufarbeiten unserer eigenen Geschichte in Deutschland, die nicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit den sogenannten „Besatzungskindern“ beginnt, sondern bis ins vorige Jahrhundert zurückreicht, wollen wir die rassistischen Strukturen in dieser Gesellschaft aufdecken und so aufklärerisch wirken. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das Buch „Farbe bekennen - Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“. Wer weiß denn schon, daß auch schwarze Deutsche von den Nazis in die Konzentrationslager verschleppt oder zwangssterilisiert wurden? Werden wir in den Schulbüchern als Opfer des Nationalsozialismus thematisiert? Im Gegenteil, auch heute noch wird in Schulbüchern die Theorie von der Minderwertigkeit der „negriden Rasse“ vertreten. Unsere Geschichte hat uns politisiert und sensibilisiert - besonders angesichts der Berliner Wahl und Stoibers Äußerungen gegen eine „durchmischte und durchraßte multinationale Gesellschaft auf deutschem Boden“. Viele von uns sehen schon lange Parallelen zu '33 - sie marschieren wieder! Unser Kampf gegen Rassismus ist auch ein antifaschistischer Kampf!

Mit einer Vielzahl von Aktionen und Projekten wie Lesungen, Seminaren, Demonstrationen und unserer Zeitung 'Afro-Look‘ wollen wir die multikulturelle Gesellschaft Bundesrepublik Deutschland entwickeln und fördern. Das „Black International Cinema Berlin“, das von der schwarzen Kulturgruppe „Fountainhead“ organisiert wurde, fördert die MultiKultur in dieser Stadt und trägt zum Selbstverständnis und zur Verbreitung schwarzer Kultur bei.

Wir fordern deshalb von der taz und anderen „alternativen linken“ Zeitungen die Problematisierung ihres eigenen Rassismus sowie die kontinuierliche Sensibilisierung der verantwortlichen RedakteurInnen. Erst denken - dann drucken!

Wir hoffen, daß dieser Artikel zum Anlaß genommen wird, weiterhin zu diskutieren, da es für die Linke keine Alternative zur inhaltlichen Diskussion gibt, wenn wir zusammen gegen Rassismus, Antisemitismus und Sexismus arbeiten wollen.

John Amoateng, Jeannine Kantara ISD-Berlin e.V