Die Angst des Fürsten

Liechtenstein: Weiterhin antihomosexuelle Gesetzgebung  ■ D O K U M E N T A T I O N

Berlin (taz) - Lesben und Schwule gibt es überall, auch im Fürstentum Liechtenstein, obwohl bis zum 31.Dezember 1988 „homosexuelle Handlungen“ grundsätzlich strafbar waren. Am 1.Januar dieses Jahres trat ein neues Strafrecht in Kraft, das weiterhin Homosexuelle als Menschen zweiter Klasse behandelt. Das Schutzalter für homosexuelle „Handlungen“ zwischen Männern liegt demnach bei 18 Jahren (für heterosexuelle und lesbische „Handlungen“ bei 14 Jahren), und das im Paragraph 221 festgelegte „Vereinsverbot“ untersagt die Emanzipationsarbeit schwul-lesbischer Gruppen. Aus Protest gegen die antihomosexuelle Gesetzgebung in Liechtenstein wandte sich die Homosexuellen-Initiative Konstanz in einem offenen Brief an den Chef im Lande, Fürst Franz Joseph II. Nachfolgend der Brief in Auszügen.

Euer Durchlaucht! Wir begrüßen die jüngste Strafrechtsform, durch die Liechtenstein nun endlich - als eines der letzten Länder Europas - das Totalverbot homosexueller Handlungen aufgehoben hat.

Unsere Freude über diesen Fortschritt wird aber durch die Tatsache getrübt, daß sich das Fürstentum entschlossen hat, vier Gesetze ins neue Strafrecht aufzunehmen, die homosexuelle Frauen und Männer diskriminieren. (...)

Wir erlauben uns, Durchlaucht, Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, daß diese vier Gesetze eine eklatante Diskriminierung homosexueller BürgerInnen sind. Als Unterzeichner der Schlußakte der KSZE-Folgekonferenz sollten Sie konsequent sein und diese massive Verletzung der Menschenrechte sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit in Ihrem Lande keinesfalls dulden. (...) Daher bitten wir Sie, durchlauchtigster Prinz, die Menschenrechte in vollem Umfang zu gewährleisten und dafür Sorge zu tragen, daß die Paragraphen 208, 209, 220 und 221 des neuen Strafgesetzbuches ersatzlos gestrichen werden.

Sollte Ihnen dies nicht möglich sein, werden wohl weiterhin viele homosexuelle BürgerInnen gezwungen sein, ihr Vaterland zu verlassen. Über wen wollen Sie dann herrschen?