: Machtmonopol
■ Kompromiß für die ungarische Reform
Trotz großen Widerstands in der Partei und im Staatsapparat ist es den Reformern gelungen, der Partei nun auch offiziell die Augen über Vergangenheit und damit der Zukunft zu öffnen. Und das ist wichtig. Denn die Geschichtsdebatte hat eine politisch-aktuelle höchst brisante Dimension. Der Beschluß ist nämlich ein Gradmesser dafür, wie weit die Partei als ganze bei der Reform gehen will. Zwar mag es für die praktischen Konsequenzen der Geschichtsdebatte, für die Aufgabe des Machtmonopols der Partei und das Mehrparteiensystem auf den ersten Blick unerheblich erscheinen, ob der „Volksaufstand von 1956“ in eine „Konterrevolution“ mündete oder ein echter zu begrüßender Volksaufstand war. Aber die Formulierung selbst ist eben nicht unerheblich. Denn sie zeigt, daß die „antisozialistischen Elemente“ weiterhin als zu bekämpfende Gegner angesehen werden. Und wer bestimmt, um wen es sich dabei handelt?
Die Öffnung des Systems bedeutet also keineswegs, daß die Partei ihre Macht aufgeben will. Die verschiedenen Fraktionen in der Partei zeigen nur, daß sie neue Mittel im Machtkampf benutzen möchten. Haben die Kadar-Anhänger jetzt zwar verloren, so hat sich die Parteiführung noch ein Hintertürchen offengelassen, in Zukunft repressiv zu reagieren. Für die Reformer ist die Entscheidung nur ein Erfolg, wenn sie in der Gesellschaft angenommen wird und Vertrauen in eine demokratische Zukunft wachsen läßt. Ihre Macht und ihr Machtkampf muß darin bestehen, zu überzeugen. Gerade bei einem Weg, der den meisten viele Opfer abverlangt. Das sollten die Oppositionellen aller Schattierungen honorieren. Die Gefahr nämlich, daß sich die Stalinisten mit den Opfern der Krise verbinden, ist noch lange nicht gebannt.
Erich Rathfelder
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