Strobl-Prozeß: mit Räumung begonnen

In Düsseldorf begann das 129a-Verfahren mit heftigen Disputen zwischen Verteidigung und Gericht  ■  Von Gitti Hentschel

Düsseldorf (taz) - Mehr als 200 ZuschauerInnen kamen nicht mehr in das Sondergebäude des Düsseldorfer Oberlandesgericht, wo gestern unter starken Sicherheitsvor kehrungen der Prozeß gegen die 36jährige Journalistin Ingrid Strobl begann. Die rund 120 Zuschauerplätze waren zum großen Teil durch Presse und zivile Polizeibeamte besetzt. Kaum zehn Minuten dauerte die Anklageverlesung durch Oberstaatsanwalt Lampe. Danach soll die frühere 'Emma' -Redakteurin Ingrid Strobl als Mitglied der „Revolutionären Zellen“ (RZ) an einem Sprengstoffanschlag auf das Kölner Lufthansagebäude am 28.10. 1986 beteiligt gewesen sein, indem sie dafür einen Wecker kaufte, der als Zündzeitverzögerer benutzt worden sein soll. Hinweise auf Verbindungen von Ingrid Strobl zu den „Revolutionären Zellen“ trug der Oberstaatsanwalt keine vor. Dagegen verlas er eine Liste von Personen, die er zu den „Revolutionären Zellen“ zählt, darunter auch Hans-Joachim Klein, dem der Anschlag auf die Opec in Wien zur Last gelegt Fortsetzung Seite 2

wird. Außerdem verlas er eine Liste von Anschlägen, die von der RZ verübt worden sein sollen, zum Beispiel auf das türkische Generalkonsulat in Köln oder auf den Leiter der Ausländerbehörde in Berlin.

In ihren Einlassungen „zur Sache“ stellte Ingrid Strobl den geschichtlichen Hintergrund des Paragraphen 129a und seine Funktion dar, nämlich Informationen über politische Gruppen und Einzelpersonen zu erhalten, die zu bestimmten unerwünschten Themen arbeiteten. So seien im Zusammenhang mit der Be

schuldigung gegen sie rund 28 Personen bespitzelt und zahlreiche Wohnungen durchsucht worden. Ihr selbst könne konkret nichts nachgewiesen werden. Deshalb versuche man, sie mit Hilfe dieser „Mehrzweckwaffe gegen jede radikale Opposition“ zu entpolitisieren und zum Schweigen zu bringen. Das aber sei sie nicht bereit mitzumachen. Diesem Verfahren sehe sie „mit großer Gelassenheit“ und „mit großer Spannung“ entgegen.

ZuschauerInnen applaudierten heftig nach ihrem Vortrag, in dem sie auch auf die unerträglichen Haftbedingungen, insbesondere in Isolationshaft, und auf den Hungerstreik der 43 RAF-Gefangenen einging. Daraufhin ließ der vorsitzende Richter rund 60 Leute aus dem Saal räumen. Sie wurden von Zivilpoli

zei zum Teil brutal hinausgedrängt. Schon vorher war die Atmosphäre zwischen Verteidigung und dem Vorsitzenden Richter Arend zeitweise sehr gespannt. Mehr als zwei Stunden lang gab es Hickhack allein darum, ob die Öffentlichkeit in diesem Verfahren hergestellt sei.

Rechtsanwältin Edith Lunnebach hatte - vergeblich beanstandet, daß die Personalausweise sämtlicher ProzeßbesucherInnen fotokopiert wurden. Außerdem trug sie vor, daß die Polizei in der Straße vor dem Gerichtsgebäude die Kennzeichen von PKWs von ProzeßbesucherInnen notiert habe. Die Verteidigerin legte die eidesstattliche Erklärung eines Mannes vor, dessen PKW in seiner Abwesenheit von Zivilpolizei durchsucht worden sei. Danach habe man auch ihn kontrol

liert. Eine Frau, an die er einen Zettel mit der PKW-Nummer der Zivilpolizistin gegeben hatte, sei sogar festgenommen worden. Das, so die Verteidigerin, behindere die Öffentlichkeit des Verfahrens.

Demgegenüber vertrat der vorsitzende Richter nach Rücksprache mit den zuständigen Sicherheitsbeamten die Meinung, es würden „keine Kontrollmaßnahmen“ durchgeführt, die die Öffentlichkeit beeinträchtigten.