piwik no script img

Der angedetzte Krug

■ Der eigenwillige, hinterschlitzige Liebling-Kreuzberg-Serienheld, Manfred Krug, spielte am Dienstagabend die Hauptrolle in „Der Zerbrochene Krug“. Das Publikum in der „Glocke“ dankte es ihm

Mein guter alter Lastwagenfah rer, mein Rechtsanwalt für jede Stunde, der Liebling aus der Flimmerkiste. Ich wußte noch gar nicht, daß er, wenn er keine Tochter zu betreuen hat, jedem Fräulein auf den Hintern klatscht, mit seiner Riesenpatsche. „Adam, laß das! „. Ein blöder Regieeinfall? Gewiß! Einer jener Einfälle eines Tourneetheaters, das in 3 - 4wöchigen Abständen die Hansestadt überfällt. Vorgestern: Manfred Krug im „Zerbrochenen Krug“.

Der eigenwillige, hinterschlitzige Serienhengst in der Hauptrolle, der Rest, acht weitere Personen, spielt ihm zu, möglichst glanzlos, damit der Heidi-Kabel-mit-Glatze-Star am Schluß den meisten Beifall abführt. Der wurde ihm dann auch von den Schulklassen und Insassen der aus dem Bremer Umland gecharterten Busse genügend gespendet.

Ich kann mir nicht helfen, im Fernsehen wirkt der Mann für das Mittelmaß echter, in jeder Stra

ßenbahn würde ich sofort „Hallo Manni!“ wiedererkennen, aber im Netz der Kleist-Sprache hat er alle Hände voll zu tun, nicht hängenzubleiben. Wenig Bewegung, wenige Gebärden, in der Hauptsache Text.

Der Inhalt des Stückes darf als bekannt vorausgesetzt werden. Der Dorfrichter ist der Täter, der seine Tat zu vertuschen sucht. Das klappt nicht. Dennoch ist am Ende fast alles wieder gut. 1806

geschrieben und, wie in der „Glocke“ gesehen, immer wieder gern gespielt. Deftig, auf Effekthuberei getrimmt, dennoch dünn. Gegeben wurde eine Klamotte, deren Mottenkugelgeruch der Regisseur noch befördert. Von der Hand des Richters, die zielsicher auf jedem in der Nähe befindlichen, weiblichen Hintern landet, sprach ich schon. Ein weiterer Dorn im Auge: Gerichtsschreiber Licht, der natürlich

auch am liebsten, darf aber nicht, noch nicht. Auf Grund des Textes schon als Marionette angelegt, gibt er sich alle erdenkliche Mühe, in Klippschülermanie, diese Rolle zu ertränken.

Andere Chargen fielen vor allem dadurch auf, daß ihre Stimmen piepsten. Veit Tümpel, der Bauer, ist uns erspart geblieben. Sein Sohn Ruprecht dagegen machte diesen Mangel wett, indem er sich, wenn nicht gerade

die Haare raufte, so doch die Pudelmütze knüllte. Mit parallel dazu einsetzenden Wutausbrüchen gedachte er das Publikum schonungslos zu unterhalten. Letzteres, gleichwohl willig, hielt sich, das Lachen betreffend, zurück.

Nein, ein Lustspiel war es nicht, eher ein lustloses, mit ein bißchen Krug, nicht zerbrochen, aber angedezt.

Klaus Johannes Thies

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen