Sadismus bei Abschiebung

■ Zwei Polizisten sind angeklagt, einen Ägypter im Abschiebeflugzeug schwer mißhandelt zu haben / US-Steward schritt ein / Deutsche Passagiere schwiegen

Vor dem Moabiter Amtsgericht begann gestern der Prozeß gegen zwei Polizeibeamte, die am 25. Juni 1987 einen Abschiebehäftling in einem Airbus der PanAm auf dem Flughafen Tegel schwer mißhandelt haben sollen. Die Verhandlung war bereits einmal im Oktober terminiert worden, damals jedoch aus Gesundheitsgründen ausgesetzt worden.

Vor Gericht stehen der 52jährige Polizeihauptmeister Wilfried K. und der 27jährige Polizeiobermeister Frank B., zu deren Aufgaben es schon seit vielen Jahren gehört, Abschiebungen „durchzuführen“. Beide bestätigten gestern, schon „öfters“ mit „Problemfällen“ zu tun gehabt zu haben, bestritten aber eine wie immer geartete Spezialisierung auf besonders schwierige Abschiebekandidaten. Staatsanwalt Reusch wirft den beiden Körperverletzung im Amt vor, aber der Begriff Sadismus im Amt käme dem Ermittlungsergebnis, das zur Anklage führte, wohl näher: So sollen die Beamten den bereits gefesselten 37jährigen abzuschiebenden Ägypter El- M. auf dem Weg ins Flugzeug mit einem Geschirrhandtuch geknebelt haben, bis die Mundwinkel bluteten, um ihn am Schreien zu hindern. Den Weg im Flugzeug zu der hintersten Sitzreihe mußte der Abschiebehäftling laut Anklage mit über dem Kopf erhobenen, gefesselten Händen in gebückter Haltung zurücklegen. Als die übrigen Passagiere die Maschine bestiegen, sollen die beiden Polizeibeamten den Ägypter auf seinem Sitzplatz gänzlich niedergedrückt haben, bis er fast waagerecht auf dem Boden lag. Dann, so die Anklage weiter, hätten die Beamten, während sie selbst saßen, die Füße auf den Häftling gestellt.

Der Darstellung der Angeklagten zufolge hat sich das Ganze so abgespielt: Weil er „losgebrüllt“ habe „wie ein Tier“, sei dem Ägypter vor seinem Transport ins Flugzeug ein Pflaster auf den Mund geklebt worden. Nachdem dieses nicht hielt, sei ihm ein Handtuch umgebunden worden. Nachdem er angesichts der Passagiere wieder losgebrüllt habe und von seinem Sitz hoch wollte, sei die Knebelkette angelegt worden. Später habe ein Beamter mit seinem Bein einen Fuß des Häftlings eingeklemmt, weil er um sich getreten habe. Keinesfalls sei der Ägypter auf den Boden gelegt worden.

Der Airbus-Steward Alfred S., (32), auf dessen Initiative die Beamten das Flugzeug mit dem Ägypter wieder hatten verlassen müssen, wurde gestern als erster Zeuge vernommen. „Wir sind schon eine ganze Menge gewöhnt, aber das war einen Zacken zu scharf“, so der Steward. Der vom Flugpersonal kurz „Deportee“ genannte Abschiebehäftling habe so geblutet, daß die drei nebeneinanderliegenden Sitzbänke hätten ausgetauscht werden müssen. Der Steward bestätigte die Vorwürfe der Anklageschrift im wesentlichen. Den Entschluß, die Beamten zum Verlassen der Maschine aufzufordern, habe er gefaßt, nachdem er den Häftling am Boden liegen gesehen habe.

Auf die Frage von Richter Miller, wie denn die Passagiere auf den Vorfall reagiert hätten, sagte der Zeuge: „Das ist ein Phänomen, das ich bis heute nicht verstehe. Die Leute haben nicht reagiert, kein Mensch hat sich gerührt, bis ich ausgerastet bin.“ Ausgerastet in dem Sinne, daß er laut losgeschrien habe: „Mich wundert überhaupt nicht, weshalb in diesem Land so viele Menschen umgebracht worden sind.“

plu