: Rushdie: Verleger kuschen vor Khomeini
Verlegerverbände zeigen keine Bereitschaft, Rushdies Buch zu drucken / Arabische Liga kritisiert Khommeini / Der will Entschuldigung von Rushdie ■ Von K.Hartung und S.Lenz
Berlin (taz) - Auf den Schock der iranischen Morddrohung gegen den indisch-englischen Schriftsteller Rushdie folgte ein zweiter Schock: Nicht nur Rushdies deutscher Verlag, Kiepenheuer und Witsch, erklärte in einer dürftigen Pressemitteilung, man habe sich „entschlossen, den Roman nicht zu veröffentlichen“ - um „in der gegenwärtigen Situation“ nicht Leib und Leben der Mitarbeiter zu gefährden. Auch die Verlegerverbände in der Bundesrepublik und in Frankreich machen keine Anstalten, das Erscheinen des umstrittenen Buches zu sichern. Die Franzosen riefen zwar nach stundenlanger Diskussion die europäischen und internationalen Verbände dazu auf, das Werk kollektiv herauszugeben. Allerdings entschloß sich der Verband in Paris nicht selbst zu einem solchen Schritt. Immerhin kündigten gestern der italienische Verlag Mondadori und der französische Verleger Moreau an, sie wollten Rushdies „Satanische Verse“ auf den Markt bringen.
Der „Börsenverein des deutschen Buchhandels“ verlangte hingegen lediglich von der Bundesregierung „energisches diplomatisches Vorgehen“. Für den Schritt des Kölner Verlags zeigte der Börsenverein Verständnis. Kiepenheuer und Witsch war gestern zu weiteren Erklärungen nicht bereit. Auf Nachfrage wurde lediglich bestätigt, daß es keinen Versuch gegeben habe, andere Verlage in eine Solidaritätsaktion einzubeziehen.
Das Bonner Außenministerium hatte bereits am Donnerstag die Morddrohung als „Überreaktion“ verurteilt. Gestern wurde der iranische Botschafter Mostafawi ins Fortsetzung auf Seite 2
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Außenministerium bestellt, um ihm die „tiefe Bestürzung“ der Bundesregierung zu übermitteln. Die außenpolitische Sprecherin der CDU/CSU Fraktion, Michaela Geiger, vermißte allerdings „schärfere Proteste unseres Außenministeriums“. Sie sprach sich für Wirtschaftssanktionen und den Ausschluß des Irans von „bestimmten internationalen Gremien“ aus.
Von den Produzenten des freien Wortes liegt bislang ein Protesttelegramm an die Bundesregierung vor, unterschrieben von 24 deutschen AutorInnen, darunter Sarah Kirsch, Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger. Die AutorInnen fordern darin, die Rücknahme des Mordaufrufs „notfalls mit wirtschaftlichen Mitteln zu erzwingen“. Au
ßerdem wird ein internationaler Boykott gegen Verlage organisiert, die sich der Drohung beugen.
In den islamischen Ländern werden unterdessen Anstrengungen laut, den Islam als eine Religion der Toleranz insbersondere gegenüber Judentum und Christentum zu behaupten. Der Botschafter der Arabischen Liga Hamadi Essid warf Ayatolloh Khommeiny indessen Verrat am Islam vor. „Die Mehrheit der Muslime kann von einem Mordaufruf nur Schockiert sein.“ Auch der Vorsitzende der 46 Nationen umfassende Islamische Konferenzorganisation Suleiman Majid Al-Shaheen, wollte der iranischen Forderung nach einer Sondersitzung über den Fall Rushdie nicht nachgeben.
Irans Staatspräsident Ali Chameni gab sich gestern beim Freitagsgebet in Teheran „milde“ und sagte man sei bereit, den Hinrichtungsbefehl für den insisch-britischen Schrift
steller aufzuheben. Rushdie müsse allerdings bei allen frommen Moslems und bei Ayatholla Khomeni persönlich um Verzeihung bitten und bekennen, daß sein „blasphemisches Buch ein Fehler gewesen sei. Sollte Rushdie auf dieses Angebot nicht eingehen, werde das von Revolutionsführer Khomeni ausgesprochene Todesurteil gegen ihn ohne jeden Zweifel vollstreckt.
Vor allem in Paskistan, wo die ersten Steine des Anstoßes in die Fenster des amerikanischen Kulturzentrums flogen, kam es gestern wieder zu Demonstrationen. Die Proteste in Pakistan zielen offenbar in erster Linie auf eine Destabilisierung der jungen Bhutto-Regierung.
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