Fahr‘ mal wieder FraU-Bahn

■ Etwa 500 Frauen besetzten am vergangenen Freitag abend am U-Bahnhof Mehringdamm Waggonabteile Flugblätter für männerfreie Zonen in deutscher und türkischer Sprache / Über zehn Frauen von Polizei festgenommen

„Meistens fahr‘ ich schwarz, aber für dieses Fahrgefühl zahl‘ ich gern 2,70 Mark.“ „Dieses Fahrgefühl“ stellt sich bei der jungen Frau bei männerfreien Fahrten in der Berliner U-Bahn ein. Auf den Linien 1 und 7 fand am Freitag abend zwischen 20 und 22 Uhr eine Frauenaktion unter dem Motto „Frauen, nehmt Euch den ersten U-Bahn-Wagen“ statt. Die Organisatorinnen waren nicht die AStA-Frauen der TU - wie irrtümlich gemeldet -, sondern ein „loser Verband von Frauen“. Laut Flugblatt haben sie genug davon, „ständig zwischen gespreizten Männerbeinen eingeklemmt zu sein, mit unverschämen Blicken ausgezogen zu werden, mit Sprüchen oder sogar handgreiflich belästigt zu werden“. Etwa 500 Frauen unterstützten durch ihre Teilnahme die Idee, den ersten U -Bahn-Wagen zum Frauenwagen zu machen, um nicht nur während der Fahrt, sondern auch auf dem Heimweg zu Fuß, der nach Absprache gemeinsam erfolgen könnte, gegen männliche Übergriffe gewappnet zu sein.

Ganz im Zeichen von Rot-Grün die Aufkleber, die blitzschnell an den Wänden der Waggons pappten: die grünen in türkischer, die roten in deutscher Sprache. Auch das Flugblatt war zweisprachig verfaßt, um auch die türkischen U -Bahn-Fahrerinnen anzusprechen.

Männliche BVG-Kunden, die sich beim Einstieg der Frauengruppen im ersten Wagen befanden, wurden gebeten, das Abteil zu wechseln. Meist war die Reaktion freundlich -humorig, auch trugen die schrillen Pfeifen der Frauen dazu bei, die Männer zum Umstieg zu bewegen. War mann jedoch uneinsichtig, wurde schon mal mit weiblicher Schub- und Muskelkraft nachgeholfen, um den unerwünschten Mitreisenden auf den Bahnsteig zu befördern. Als Einzelfall ist wohl der Mann zu betrachten, der - so berichteten Augenzeuginnen sich nicht ohne weiteres herausdrängen lassen wollte, zum Messer griff und begann, auf die Frauen einzustechen. Glücklicherweise erwies sich die Klinge als stumpf, von den Frauen wurde keine verletzt, der Täter flüchtete. Mit Männern, die versuchten, in den ersten Wagen einzusteigen, war das Verfahren weniger kompliziert: „Erster Wagen Frauenwagen“, schallte es ihnen aus dem Waggon entgegen, und die Mauer von Frauen, die die Türen blockierte, brachte die meisten von ihrem Vorhaben ab.

Schon im Dezember letzten Jahres hatte eine Frauen-U-Bahn -Aktion stattgefunden. Damals hatte die Polizei ohne erkennbaren Grund brutal eingegriffen, Frauen aus den Wägen herausgeprügelt und einige U-Bahnhöfe abgeriegelt. Auch dieses Mal kam es zur Konfrontation. Am Mehringdamm wurden laut Aussage der Betroffenen kurz nach 20Uhr sieben Frauen aus der Gruppe herausgegriffen, die gerade im Begriff war, die Linie zu wechseln. Eine Begründung für die Festnahme wurde ihnen nicht gegeben. Nachdem ihre Personalien festgestellt worden waren, wurden sie wieder freigelassen. Als kurz nach 21Uhr eine andere Frauengruppe am Mehringdamm ankam, bestiegen einige Zivis und Beamte der Einsatzbreitschaft den ersten Wagen. Sie kontrollierten die Tasche einer der Frauen auf Spraydosen - erfolglos. Da die rund 80 anwesenden Frauen befürchteten, im Wagen eingekesselt zu werden, drängten sie nach draußen, wo ihnen 40 Einsatzbereitschaftler einen wenig freundlichen Empfang bereiteten. Es kam zum Gerangel: Drei Frauen wurden festgenommen, teilweise brutal an den Haaren gerissen und zu den bereitstehenden acht Wannen geschleift. Während dort ihre Personalien festgestellt und Fotos von ihnen gemacht wurden, forderten die draußen stehenden Frauen laut skandierend ihre sofortige Freilassung. Ob sie ein Verfahren wegen Beamtenbeleidigung bzw. gemeinschaftlicher Sachbeschädigung (durch Sprühen und Aufkleber) befürchten müssen, stand gestern noch nicht fest. Nach rund einer halben Stunde waren sie wieder frei. Die draußen wartenden Frauen mußten sich zwischenzeitlich Polizistensprüche wie: „Hoffentlich kriegt Ihr die Krätze“ und - mit Blick auf die Frauen - „mindestens fünf Gründe, um schwul zu werden“ anhören. Nach Abbruch der Aktion trafen sich noch einmal rund 200 der Teilnehmerinnen, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Offensichtlich gab es außer der Auseinandersetzung am Mehringdamm keine weiteren Übergriffe der Polizei. Am Dienstag abend wird um 20Uhr ein zweites Treffen im Mehringhof stattfinden, bei dem die beteiligten Frauen nochmals die Möglichkeit haben, Bilanz zu ziehen.

NOK