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Ausblicke, Einblicke, Überblicke

■ „La mystique de la fenetre“: Noch bis Mittwoch sind im Fotoforum, Fedelhören, Fotografien von Silvia Klein zu sehen: Landschaftsfotos? Nein. Viel mehr, findet der Rezensent

An der Decke des kargen Raumes hängen zwie Video-Monitore. Wie überwachend blicken zwei Männergesichter von dort hinab. Auf dem Boden eine sich nach oben verjüngende Eisensäule. Durch das Fenster fallendes gleißendes Sonnenlicht gibt der Szenerie eine gespenstische Atmosphäre.

Assoziationen an den „Großen Bruder“ werden wach, die monumentale Musik Richard Wagners klingt geradezu aus dem Bild geschwappt, kurze, knappe Befehle scheinen hörbar: Eine der faszinierendsten Arbeiten der Fotografin Sylvia Klein, entstanden 1987 auf der documenta 8 in Kassel. Weitaus mehr als nur eine Dokumentation der Video-Raum-Installation Klaus vom Bruchs - ein eigenständiges Werk.

„La mystique de la fenetre“ ist der Titel der Ausstellung, die noch bis einschließlich Mittwoch im Fotoforum Bremen, Fedelhören 31 zu sehen ist.

Sylvia Klein, geboren in Lissa

bon, kam im Alter von drei Jahren nach Kanada. Aufgewachsen in einem Land ohne eigenständige bzw. zerstörte, nicht mehr existente traditionelle Kultur, begibt sie sich mit der Kamera auf die Suche nach ihrem europäischen Ursprung.

In mehr als sechs Jahren entstehen Hunderte von Fotos in Ravenna, Venedig, Salzburg, Wien, Amsterdam, Würzburg. Mittelpunkt ihrer Arbeiten ist immer wieder das Fenster als Ausblick, als Einblick, als Quelle des Lichts.

Der BetrachterIn erschließt sich die Bildersprache Sylvia Kleins eher langsam. Vieles scheint schon einmal irgendwo gesehen („Da war ich auch schon mal!“), manches wirkt vielleicht sogar banal. Wer kennt sie nicht, die Festung Hohensalzburg oder den Dogenpalast in Venedig? Der sonnendurchflutete Kreuzgang des Bischofspalastes in Bressanone, Italien erscheint so vielleicht auf mancher Ansichtskarte.

Wirklich so? Ist nicht in den Arbeiten noch eine andere als nur visuelle Ebene zu entdecken? Liegen beim „Blick von Nimrod's Festung“ Suggestionen wie „das Licht am Ende des Tunnels“ so fern? Ist es nicht doch wesentlich mehr als ein einfaches Landschaftsfoto?!

Für Sylvia Klein bestimmt. „Wie oft wird in der religiösen und mystischen Literatur Göttlichkeit durch die Metapher -weißes Licht-versinnbildlicht“. Ich vermute, Ausstellungsbesucherinnen finden schnelleren, intuitiveren Zugang zu ihrer „message“ als die Besucher.

Mein männlicher Blick ist immer wieder auf das einzige großformatige Werk zurückgekommen. Wie in einer Inszenierung absurden Theaters stehen schattenhafte menschliche Figuren vor einem großen Rechteck aus weißem Licht (!). Was erblicken sie wohl?

Jörg Oberheide

Nur noch bis Mittwoch

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