Ich hab‘ deinen Schwanz gesehen

■ Die englische Düsterformation „Alien Sex Fiend“ spielte im Modernsten: Frontmann Nik Fiend machte seinem Namen alle Ehre: Wie Gevatter Todgebärdete er sich unter Blitzlichtern

Am Anfang war es zunächst ziemlich schwarz. Wenn ein Konzert als Punkereignis angekündigt wird, ist die Uniformierung des Publikums auch am Ende der 80er Jahre noch allgemein verbindlich. Mit Alien Sex Fiend machte sich wieder einmal die englische Düsterformation mit dem anzüglichen Namen im Modernsten daran, dem mittlerweile arg strapazierten Batcave-Gothic Ambiente einen neuerlichen Aufguß zu bereiten. Als „echt häßliche“ Band wurden sie im Pressetext gehandelt, den Beweis blieben sie allerdings schuldig. Das lag zunächst daran, daß es mächtig dunkel war im neustädtischen Aufführungsort. Nebelschwaden waberten ein ums andere Mal über die Köpfe der ZuhörerInnen und Laserstrahlen durchzuckten die Szenerie. Es war nicht viel zu erkennen auf und vor der Bühne,

von den Stoffetzen, die auf Gruseligkeit getrimmt waren, mal abgesehen. Nach einigen Minuten des düsteren Auftakts dann ein schrilles Gitarrengekreische und da stand er. Nik Fiend, Frontmann des Quartetts, machte seinem Ruf alle Ehre. Wie Gevatter Tod gebärdete er sich am Bühnenrand, bleich wie billiges Toastbrot in einer mehr als hautengen Hose. Zum schroffen Gitarreneinsatz wummerte ein Hackbeat vom Band und dazu verschleierten Nebel die Sicht.

Die MitspielerInnen des Herrn Nik waren nicht immer zu erkennen, sie waren nicht einmal eindeutig zu hören. Denn hinter den Schleiern mutete doch allzuviel wie vorproduzierte Einheitsware vom Tonband an. Punkentlehnte Minimalmusik mit Geisterbahneffekt boten die vier, spärliche Muster der Keyboarderin verschwammen mit Gitarenriffs und dem Maschinenrhythmus zur Geräuschwand. Nik gab sich alle Mühe, so auszusehen, als sei er schon gestorben, nur so ist es zu verstehen, daß er nicht einmal versuchte, zu singen.

So beließ es der bleiche Engländer dabei, den sattsam bekannten Sound mit allerlei satanischem Gezeter unters Volk zu bringen, Mülltonnen herumzuwuchten und den Inhalt seiner Getränkebecher ins Bühnenrandpublikum zu kippen. Dazu schrie er seine bösen Texte von Tod und Müll und Stiefeln im Bett unters wohlgeneigte Auditorium.

Auch wenn A.S.F. musikalisch festgefahren scheint, wie ein

Traktor im Schlamm, so bemühte sich der agile Nik wenigstens, mit einigen Spirenzchen die ZuhörerInnen zu erheitern. Richtig psychologisch wurde es, als er eine riesige Plastikbanane zuerst zwischen seine Oberschenkel hielt und das phallische Versatzstück dann als Joch über seine Schultern legte. Danach gab es natürlich jede Menge Nebel, der musikalische Vortrag changierte sogar zwischen DAF, Art of Noise und Acid House mit neckischen Soundsprengseln garniert. Telephonklingeln und Lokomotivgetute begleitete ab und an den immer noch gleichen Hammerbeat und somit war die Frage nach dem möglichen Ende der Dauerwiederholungen nicht unangebracht.

Zwei Stunden hielten die Begleiter der Bandmaschine durch, ohne sich entscheidend in den Vordergrund spielen zu müssen. So blieb es abermals dem originellen Pudergesicht vorbehalten, für den Skandal des noch so jungen Jahres zu sorgen, als er zunächst seinen entblößten Hintern und nach einer eleganten Drehung auch seinen nicht minder nackten Schwanz in die Gegend hielt. Doch so schlimm war's dann auch nicht, keine Anormalitäten, keine Riesenwarzen sind zu berichten und an der Musik änderte sich sowieso nichts.

So bleiben nur die penetranten Blitzlichtattacken auf die Netzhaut in bleibender Erinnerung, die im Verein mit den Nebelschwaden so manch rotes Auge verursachten. Das war einfach zu wenig.

Cool J.F.