„Ich bin kein grüner Image-Polierer“

Der Star der deutschen Werbeagenturen und frühere taz-PR-Mann Michael Schirner entwarf die millionenschwere Werbekampagne für Nukem / „Jedes Wort ist wahr“  ■ I N T E R V I E W

Berlin (taz) - Mit vierseitigen Anzeigen-Strecken wirbt der prominenteste deutsche Werbemann für die Hanauer Skandalfirma Nukem: Michael Schirner. Unter dem Stichwort „Moral“ fragte selbst das Fachblatt 'Werben und verkaufen‘ irritiert, warum „ausgerechnet der sich alternativ gerierende Kreativ-Star“ für Nukem in den Ring steigt. Schirner hatte zuvor unter anderem durch seine kostenlose und sehr erfolgreiche Werbung für die taz in der Branche für Aufsehen gesorgt.

Die Nukem-Anzeigen sind - wie immer bei Schirner - glänzend gemacht. „Wie aus der alten Nukem eine neue Firma wurde, wollen wir hier schildern“, heißt es analog zum Frosch, der sich in den Prinzen verwandelte. Dann wird der Transnuklear -Skandal geschildert („ein skandalöser Vorgang“) und die Konsequenz der Nukem: „Wir erstatteten Anzeige, leiteten Untersuchungen ein, entließen die Verantwortlichen. Und wir haben die Auflösung der Transnuklear eingeleitet.“ Am Ende steht die Nukem geläutert da. Sie arbeite zwar noch als Zulieferer für die „Kernindustrie“ (gemeint ist die Atomindustrie), aber zunehmend engagiere sie sich „für die Sicherheit und für die Umwelt“.

„Mehrere Millionen Mark“ läßt sich die Nukem nach Auskunft ihres Firmensprechers Dyroff die Kampagne kosten. Schirners Konzept sei genau das richtige. „Sehr auffällig, sehr anspruchsvoll mit einer klaren Position zur Vergangenheit. Wir haben ein sehr gutes Echo“, freut sich die Nukem.

Heftige Kritik kam von den Hanauer Bürgerinitiativen an der „Reinwaschung“. Die Nukem könne noch so viel Kreide fressen, sie bleibe nach wie vor eine Atomfirma. Die Bürgerinitiative wies in ihrer Presseerklärung auf die Beteiligung der Nukem am Firmenkonsortium für die WAA in Wackersdorf hin, auf Uranhandel, Flaggentausch und auf die „entlassenen“ Nukem -Manager, die längst auf andere Posten entsorgt worden seien.

taz: Herr Schirner, gibt es für Sie moralische Grenzen in der Werbung?

Michael Schirner: Die Nukem-Werbekampagne ist sicherlich die ehrlichste Kampagne, die ich jemals gemacht habe. Jedes Wort, das in den Anzeigen steht, ist wahr.

Sie sagen, daß die Nukem kein Uran mehr anfaßt. Das ist keineswegs wahr. Das ist einfach Quatsch. Die Nukem ist und bleibt einer der weltweit größten Uranhändler. Die Nukem ist und bleibt Geschäftspartner des Rassistenregimes in Südafrika. Nukem steht für den Flaggentausch im Urangeschäft. Und sie hat Geschäftsbeziehungen zu dem Atomschieber Hempel. Davon steht nichts in Ihrer Anzeige.

Diesen Vorwürfen muß ich widersprechen. Entscheidend ist, daß die Nukem keine Brennelemente mehr herstellt. Sie hat diesen Bereich aufgegeben.

Alles andere tut sie weiterhin, vor allem ist sie im Uranhandel weiterhin aktiv.

Die Nukem ist im Uranhandel aktiv, aber sie faßt kein Uran mehr an.

Mit den Händen sicherlich nicht. Das hat Sie schon vorher ihren Arbeitern überlassen.

Ich bleibe dabei: Die Aufgabe der Brennelemente-Produktion, die Auflösung der Transnuklear, der Verkauf von Alkem und RBU sind einschneidende Schritte für die Firma. Und es ist richtig und, wie ich finde, auch sehr wichtig, dies in der Werbung herauszustellen.

Die Nukem hat die Brennelemente-Herstellung und ihre Beteiligung an anderen Firmen nicht freiwillig aufgegeben. Sie wurde dazu gezwungen. Sie stellen das so hin, als sei denen plötzlich das umweltfreundliche Licht aufgegangen ...

Die Nukem hat sich sehr konsequent auf die neue Situation eingestellt und sie hat nicht versucht, die Brennelement -Produktion um jeden Preis zu halten. Wenn Firmen solche Probleme haben, wie das bei der Nukem der Fall war, dann ist das schon erstaunlich, daß ganz konkret aus der Vergangenheit Konsequenzen gezogen werden. Die Presse hat diese Konsequenzen der Nukem weitgehend ignoriert. Die Nukem wurde immer nur mit dem Transnuklear-Skandal und mit anderen Dingen, die nicht stimmen, identifiziert.

Die wichtigsten von den anderen Skandalen habe ich aufgezählt. Sind Ihnen eigentlich all diese Dinge bekannt gewesen?

Ich möchte zunächst einmal klarstellen, daß wir keine Kampagne für die Kernkraft führen. Wir informieren hier lediglich über ein Unternehmen, das sich gewandelt hat. Alles andere ist nicht unsere Aufgabe.

Trotzdem nochmal: Hat sie Ihr politischer Instinkt nie davor gewarnt, sich gerade für diese Firma als grüner Image -Polierer herzugeben?

Ich bin kein grüner Image-Polierer und war es auch nicht, als ich für die taz geworben habe.

Die taz ist ein stark positiv besetztes Unternehmen, das Hätschel-Kind der Medien. Sie wollen die taz doch nicht ernsthaft mit der Nukem vergleichen, die zurecht zum großen Buhmann geworden ist.

Auch die taz-Werbung war für uns nicht unproblematisch. Es gab Drohungen von Kunden, die nicht mehr mit uns zusammenarbeiten wollten, weil wir für die taz arbeiteten. Ich glaube, daß man für alles Werbung machen kann, wenn man es ernsthaft tut und wenn man nicht lügt.

Sie halten's mit der Redlichkeit. Warum schreiben Sie dann Atomskandal in Gänsefüßchen?

Das ist ein Zitat. In der Anzeige werden die Vorgänge bei Transnuklear deutlich benannt. Ohne Gänsefüßchen.

Und die anderen Vorgänge, bei denen sich rein gar nichts geändert hat? Die fehlen in Ihrer Anzeige.

Es fehlt eine Aussage zum Hauptvorwurf, daß die Nukem gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen habe. Die Untersuchungsausschüsse haben herausgefunden, daß da nichts dran ist. Wir haben diese positive Aussage aber in der Anzeige weggelassen, weil wir den Schlußbericht der Ausschüsse nicht vorwegnehmen wollten.

Eine Werbeagentur soll sich nicht zum Erfüllungsgehilfen eines Auftraggebers degradieren lassen. Das ist Ihr Credo. Was will die Nukem mit dieser Anzeigen-Kampagne erreichen und was ist Ihr Akzent bei dieser Kampagne?

Die Nukem will deutlich machen, daß Sie nicht mehr die alte Nukem ist, sondern eine neue Firma. Unsere Initiative besteht darin, daß wir der Nukem klar gesagt haben, daß wir nur unter der Bedingung für sie arbeiten, daß die Wahrheit auf den Tisch kommt. Darauf hat sich die Nukem eingelassen.

Dennoch haben Sie anfangs verbergen wollen, daß Sie für die Nukem arbeiten.

Ich habe nichts verheimlicht und habe am Tag, als die erste Anzeige erschien, eine Notiz an die Presse gegeben. Da gibt es keine Geheimnisse.

Sie hatten durchaus Berührungsängste. Die Nukem hat bestätigt, daß es mehrerer Gespräche bedurfte und daß Sie anfangs nicht wollten.

Wir haben uns natürlich sehr genau überlegt, ob wir für die Nukem arbeiten. Das hat sicherlich länger gedauert als bei anderen Kunden. Wir haben das genau geprüft, bevor wir uns für die Zusammenarbeit mit der Nukem entschieden haben.

Interview: M. Kriener