Aufregung in Jugoslawien über neue Visumpflicht

■ Bonn will mit der Neuerung Asylbewerber abhalten / Boulevardpresse macht Roma und Albaner verantwortlich

Budapest/Berlin (taz) - Helle Aufregung herrscht in Jugoslawien über die Visumpflicht, die die Bundesrepublik für die Bürger des Vielvölkerstaates an der Adria einführen will. Man glaubt bereits, die Schuldigen gefunden zu haben: Roma-Zigeuner und Albaner. Die jugoslawischen Boulevardblätter 'As‘ und 'Duga‘ verbreiteten schon seit Wochen, daß diese beiden Minderheiten an einer zu erwartenden Einschränkung des freien Reiseverkehrs von Jugoslawien in die Bundesrepublik schuld seien. Weshalb im vergangenen Jahr gerade die Roma 55 Prozent und die Albaner 40 Prozent, zusammen also 95 Prozent der über 20.000 jugoslawischen Asylsuchenden, ausmachen, interessiert die Medien herzlich wenig. Die Zahlen jedoch bestätigt das Bundesamt für die Anerkennung politischer Flüchtlinge in Zirndorf.

Anders als in Polen und Ungarn, wo die „neue Armut“ kein Tabuthema mehr ist, finden sich in der Belgrader Presse keine Berichte über das Los der etwa 50.000 Roma, die in zwei Lagern am Rand der Hauptstadt hausen - in Blechhütten ohne Wasser und ohne Elektrizität. In Slowenien, wo die Presse allgemein freier berichten kann, sorgte im letzten Jahr eine „Zigeunerjagd“ in der Kleinstadt Nova Mesta für Schlagzeilen. Aufgebrachte Bürger erklärten den Ort zur „zigeunerfreien Stadt“ und prügelten anreisende Roma aus dem Ort. Die Albaner, die zunehmend in die Bundesrepublik flüchten, stammen aus Kosovo, dem traditionellen Armenhaus Jugoslawiens. Seit 1981 radikale Albaner auf Demonstrationen mehr Rechte für ihre Minderheit forderten, ist die Repression gegen die Volksgruppe kaum abgeebbt. Im Augenblick stehen 21 Albaner vor Gericht, weil sie eine „marxistisch-leninistische Partei“ gegründet haben sollen.

Die meisten Kosovo-Albaner und Roma fliehen auf dem Landweg über Österreich in die Bundesrepublik. Stehen sie aber an der Grenze und verlangen Asyl, müssen sie auch nach der Einführung der Visumpflicht erst mal passieren dürfen. Allerdings ist zu befürchten, daß die Bundesregierung - wie schon vor zweieinhalb Jahren gegenüber der DDR vorexerziert

-Druck auf Österreich ausübt, damit das Nachbarland nur noch mit Visum ausgestattete Jugoslawen ins Land läßt. Die Bundesrepublik würde dann auch noch die 0,3 Prozent der anerkannt asylberechtigten Jugoslawen „einsparen“.

Roland Hofwiler/thos