Ostertorsche wollen Drogenproblem packen

■ „Interessengemeinschaft Ostertor“ für mehr Drogenhelfer, Streetworker und Polizei / Gesundheitsbehörde: Alte Spritzen gesund wie Hundescheiße / Bald Verschiffung von Drogenabhängigen? / Senat: „Kein Handlungsbedarf“ gegen Kriminalitätssteigerung

Für eine Entschärfung des Drogenproblems im Viertel gibt es Hoffnung. Das ist jedenfalls die Einschätzung der „Interessengemeinschaft Ostertor“ (IBO). Aus Gesprächen mit Drogenkundigen und Behörden kamen die IBO-VertreterInnen mit einer Reihe konkreter Zusagen und Vorschlägen zurück. „Mit Genugtuung“, so Norbert Caesar, habe die IBO gehört, daß das Personal der Drogenberatungsstelle in der Bauernstraße aufgestockt wird. Derzeit sind dort Stellen für 9,5 Drogenkundige vorhanden. Die Fraktionen der Bürgerschaft wollen zum 1. April, spätestens zum 1. Juni, einvernehmlich sieben weitere Stellen schaffen. Die Aufstockung ist Voraussetzung, um die Öffnungszeiten der Beratungsstelle bedarfsgerechter auszudehnen. Gegenwärtig ist das Zentrum nur an drei Wochentagen, jeweils zwischen 12 und 17 Uhr besetzt. Nach den Neueinstellungen, freut sich die IBO, könnte das Zentrum in der Bauernstraße montags bis sonnabends zwischen 11 und 22 Uhr geöffnet werden . Freilich fehlt noch das Wichtigste: das Placet des Senats.

Darüber hinaus hat Henning Scherfs Behörde versprochen, künftig wieder „Streetworker“ in die Szene zu schicken. Die IGO fordert ferner einen offiziellen „Druckraum“ für Abhängige.

Unzufrieden kehrten die IGO-VertreterInnen aus Gesprächen

mit anderen Senatsressorts zurück. Eine der ungelösten Fragen ist die Entsorgung gebrauchter Spritzen. Vor allem auf Spielplätzen sorgen die herumliegenden Fixer-Utensilien für Unruhe bei besorgten Eltern. Dazu besteht jedoch nach Meinung der Gesundheitssenatorin keine Ursache: Weggeschmissene Drücker-Garnituren stellten keine größere Gefahr dar als etwa Hundescheiße.

Die IGO hat dagegen beobachtet, daß selbst Mitarbeiter von Stadtreinigungsamt und Gartenbauamt um die weggeschmissenen Spritzen einen Bogen machen. Die Müllwerker sind verunsichert, zumal in jedem Krankenhaus benutzte Spritzen als Sondermüll behandelt werden. Ortsamtsleiter „Hucky“ Heck plädiert für die Einführung eines Tauschprogramms „alt gegen neu“: In Apotheken und im Hauptgesundheitsamt sollte die Nachtbereitschaft eine frische Spritze im Austausch gegen die gebrauchte parat halten.

Schließlich macht sich die „Interessengemeinschaft Ostertor“ für mehr Polizei im Viertel stark. Bis jetzt zeigen Polizei und Feuerwehr wenig Neigung, schnell und unbürokratisch in Notsituationen einzugreifen. „Es dauert oft 40 bis 50 Minuten, bis eine Funkstreife kommt“, weiß Susanne Urban von der Initiative. Mehrere Streifen fahren achtlos vor

bei, wenn es sich um Beteiligte aus der Drogenszene handelt. „Die schreiten nur ein, wenn die Gefährdeten zu drei Viertel tot sind“, gibt die IGO Beobachtun

gen wieder.

Eine Linderung der Wohnungsnot der Drogenabhängigen verspricht sich die IGO von einem spektakulären Vorschlag: Der

Verein Hohehorst hat ein restauriertes Segelschiff erworben, auf dem Drogenabhängige untergebracht werden sollen. In der Nähe des Schulschiffs „Deutschland“

soll die „Outlaw“ vor Anker gehen. Ortsamtsleiter Heck unterstützt dieses Vorhaben: „Wenn man in irgendeiner Straße ein Haus für Drogenabhängige aufmachen würde - die Straße würde Sturm laufen.“

Für Verbitterung im Ortsamt und bei der IGO sorgt gegenwärtig die vorab veröffentlichte Antwort des Senats auf eine Anfrage der CDU Unhaltbare Zustände im Ostertor/Steintor. In diesem Papier werde die Situation im Viertel heruntergespielt. Während zum Beispiel bei Ladendiebstählen die Senats-Statistiker einen Rückgang ermittelten, haben die Langfinger im Viertel nach Beobachtungen dortiger LadeninhaberInnen zugelegt. Es komme jedoch nicht mehr so häufig zu Anzeigen: Erstens dauere es zu lange, bis die Polizei sich blicken ließe. Und zweitens seien die Beschuldigten deutlich aggressiver. Selbst dort, wo die Statistik eine höhere Kriminalität bestätige (Gewaltdelikte plus 19 Prozent), erkenne der Senat „keinen zusätzlichen Handlungsbedarf“. Gerd Settje vom Cinema: „Das ist pure Ignoranz!“

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