: Babylonische Sprachgemeinschaft
■ In der Hohentorsgemeinde herrscht fundamentale Ausländerfreundlichkeit
SchwangerschaftsunterbrecherInnen, AusländerfeindInnen, Sangesunkundige und andere SünderInnen haben in der Hohentorsgemeinde nichts zu lachen. Mangelnde Gesangbuchfestigkeit ist dabei offensichtlich noch die läßlichste Sünde: Wenn Ahmed Turkmani, gläubiger Laie, in die Bundesrepublik umgesiedelter Libanese und vom Islam zu fundamentalem Christentum konvertierter Seelenfischer, den Gottesdienst schmeißt und an den stimmlich-musikalisch -religiösen Leistungen seiner Schäflein die rechte Inbrunst vermißt, geht's noch harmlos zu wie unter ABC-Schützen: Das ganze nochmal. Aber diesmal anständig mitgesungen!
Bei Abtreibung und Ausländerhetze hören die Kanzel-Späße dann aber spätestens auf. Für KindsmörderInnen und Fremdenfeinde ist im Himmelreich kein Platz, geschweige denn in der neustädter Hohentorsgemeinde. Die schmeißt der Herrgott mit einer Bemerkung von turkmanischer Drastik und Kürze („Bleib weg von mir, Du Sünder“) direkt in die Hölle, wo der Teufel schon eine extralange Bank fürs verdient ewige Schmoren reserviert hat. Denn den Schwachen, den Witwen, Waisen und Fremden gilt der besondere Schutz des Herren, und wehe dem, der seinen Willen mißachtet. Schließlich: Was war und ist Christus anderes als ein immerwährend Asylsuchender? Asylsuchend damals in einem Bethlehemer Kuhstall, asylsuchend heute in unseren Herzen. Und was sind Asylbewerber heute anderes als Suchende nach dem verlorenen Paradies, suchend wie wir, die wir auch alljährlich Milliarden bei TUI, Scharnow und NUR investieren, um noch einmal nackt wie Adam und Eva in wärmender Sonne zu lustwandeln und von exotischen Früchten zu kosten.
Nein, Ahmed Turkmani, Laienprediger und analogien-zwingender Bibel-Aktualisierer, ist kein Mann für schriftexegetische Fisematenten. Ahmed Turkmani findet für einfache theologische Wahrheiten einfache Sätze. Freundlich klingen die, salopp hemdsärmelig und eingängig. Zum mit nach Hause nehmen. Auch wenn in allen ganz nebenbei die Aussicht auf Höllenqualen drohend mitklingt. Aber die blühen nur den anderen. Ahmed Turkmani lehnt es einfach ab, sich auch nur vorzustellen, daß auch in der Kirche jemand was gegen Ausländer oder für Abtreibung vorzubringen hätte. In der Hohentorsgemeinde ist man ganz en famille. Statt Kirche zum Nachdenken gibt es Kirche zum Mitmachen und Einverstandensein.
Ausländer können hier allerdings ganz bestimmt mitmachen. Zum Schluß singt die Gemeinde: „Ich bin entschieden zu folgen Jesus.“ In sieben Sprachen. Alle Sprachen gleichzeitig und - gleichberechtigt.
Klaus Schloesser
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