Patient coop gerettet - Viele Arbeitsplätze tot

Einigung der Gläubigerbanken auf „Überprüfung unrentabler Standorte“  ■  Von Martin Kempe

Die coop ist gerettet. Diese Siegesmeldung stand am späten Sonntag abend am Ende einer dramatischen Mammutsitzung der 143 Gäubigerbanken über den mit mehr als fünf Milliarden Mark verschuldeten, einst gewerkschaftseigenen Einzelhandelskonzern. Nach heftigen Konflikten zwischen den sogenannten „Poolbanken“ (die für die Sanierung federführend sind, weil sie die Mehrheit aller Forderungen auf sich vereinigen) und einer Gruppe von 27 ausländischen Banken unter der Führung der amerikanischen Citibank einigten sich die Banker in Frankfurt auf ein gemeinsames Sanierungskonzept. Dadurch ist zwar das Überleben des Unternehmens ermöglicht, aber für viele der rund 40.000 coop -Arbeitsplätze wird es das Aus bedeuten.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der coop, der ehemalige Wirtschaftsminister und Parteispendenskandal-geschädigte Hans Friderichs teilte im Anschluß an die Sitzung am späten Sonntag abend mit: „Es hat eine Einigung gegeben. Die Banken haben in einer Globalabstimmung beschlossen, daß das Unternehmen fortgesetzt wird.“ Nun seien die Voraussetzungen für die eigentliche Sanierung des überschuldeten Unternehmens gegeben. Das Sanierungsvolumen wurde auf rund 1,95 Milliarden Mark festgelegt. Der überwiegende Teil davon, rund 60 Prozent, soll durch einen Forderungsverzicht der Banken aufgebracht werden, deren Gesamtforderungen rund 2,5 Milliarden Mark betragen. Für die übrigen ungesicherten und sämtlichen gesicherten Forderungen haben sich die Banken auf ein Stillhalten bis Ende 1990 verpflichtet. Ein weiterer Teil des Sanierungsbedarfs wird durch Veräußerung der coop Industrie AG an die Poolbanken für 260 Millionen Mark aufgebracht. Laut Friderichs dauert es ungefähr ein halbes Jahr, um das Sanierungskonzept im einzelnen auf die Beine zu stellen. Weitere zwei bis zweieinhalb Jahre werde es dauern, bis der Konzern die Verlustzone verlassen habe.

Die Beratungen der Banken hatten am Freitag angefangen und waren, nachdem die Differenzen zwischen den Pool-Banken und einer Gruppe ausländischer Banken zunächst nicht überbrückt werden konnten, bis Sonntag unterbrochen. Am Sonntag meinte Thomas Wegschneider, Vorstandsvorsitzender der zum Pool gehörenden Bank für Gemeinwirtschaft, wenn man jetzt nicht zu einer Einigung komme, sei ein Konkurs des viertgrößten bundesdeutschen Einzelhänders nicht mehr abzuwenden. Ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Treuverkehr hatte die coop-Führung am 10. Februar von der Überschuldung des Konzerns unterrichtet. In diesem Fall sieht das Aktienrecht eine Drei-Wochen-Frist für die Konkursanmeldung vor. Die jetzt erzielte Einigung der Banken entspricht wegen des Forderungsverzichts der Banken einem außergerichtlichen Vergleich.

Nach Angaben Friderichs legte die derzeitige Geschäftsführung der coop den Banken ein Konzept zur „deutlichen Straffung des ganzen Unternehmens“ vor. Dazu gehört auch die „Überprüfung unrentabler Standorte“ und die Erhöhung des Umsatzes je Verkaufsfläche in den coop-Läden. Offensichtlich hatte sich die Konkurrenz schon die Finger danach geleckt. Der von Friderichs als Sanierungsberater geholte Hans Schäfer hatte den Bankern drastisch das drohende Auseinanderberechen des Konzerns vor Augen geführt, wenn auch nur ein Glied aus der Kette der Sanierungsstrategie herausbreche. Es würden schon „Mietverträge gekündigt, da bereits potente Nachmieter aus der Branche bereitstehen und ohne zu zögern zu höheren Quadratmetermieten die Projekte übernehmen“. Die einst aus den gewerkschaftlichen Konsumgenossenschaften hervorgegangene coop gehört zur Gruppe der fünf Großen im Einzelhandel der Bundesrepublik (die schärfsten Konkurrenten sind Aldi, Tengelmann, Rewe Leibbrand, Metro und Asko -Massa). Dabei firmiert sie nicht nur unter den blauen coop -Quadraten, sondern ist über das reine Lebensmittelgeschäft längst hinausgewachsen. Unter den Kettennamen Plaza, Bienefeld, Hush Puppies, Mayer Schuh und Sport, Richter Spiel und Hobby, Bolle, Safeway, Schätzlein, Schade und Füllgrabe, Wandmaker, Promarkt und Baumärkte wird vom Spielzeug über Bekleidung bis zum Rasenmäher fast alles verkauft, was der Konsumgütermarkt bereithält. Im Gegensatz zu anderen Einzelhandelsketten gehören zur coop auch Produktionsbetriebe, die jetzt offensichtlich mit in die Sanierungsmasse eingegangen sind. Nach dem Verkauf des verbliebenen 39-Prozent-Anteils im Jahre 1985, bei dem nach dem Verdacht der Frankfurter Staatsanwaltschaft offenbar mit gefälschten Bilanzen gearbeitet wurde, sind die Gewerkschaften an dem Konzern nicht mehr beteiligt. Dennoch ist die ebenfalls früher zur Gewerkschaftsimperium gehörende Bank für Gemeinwirtschaft, eine der fünf „Pool-Banken“, mit 127,5 Millionen Mark nach wie vor die zweitgrößte Gläubigerbank der coop. Hier nimmt die Security Pacific (USA) mit 136,8 Millionen Mark die Spitzenposition ein.