Kreuzfahrt gegen schlechte Augen

■ Bremerhavener Lloyd-Werft baut alte Fähre zu schwimmender Augenklinik um / Wohlhabende Westler und Saudis sollen auf der „Mikhail Suslow“ kreuzfahren und sich kurzsichtige Augen operieren lassen

Fielmann ist bei Brillen der Größte, aber jetzt müssen auch ihm die Knie schlottern. Auf der Bremerhavener Lloyd-Werft wird im kommenden Monat eine verrostete russische Ostseefähre umgebaut. Nach 75 Tagen Bauzeit wird die „Mikhail Suslow“ aus dem Dock geschleppt werden - als schwimmende Augenklinik mit luxuriöser Ausstattung. Wo jetzt noch stinkende Autos im Bauch der Fähre geparkt werden, wird dann der Operationssaal installiert sein, unter einer mächtigen Kuppel, die sich über zwei Decks erstreckt. Während einer Kreuzfahrt können sich Kurzsichtige dort ihr Leiden wegoperieren lassen, nach der Methode des Moskauer Augenarztes Professor Swatoslaw Fjodorow. An Deck will Fjodorow ein riesiges, leeres Aquarium aufstellen lassen. Nach erfolgreicher Operation können die Patienten das lästige Utensil dort hineinwerfen, das sie von nun an nicht mehr brauchen: ihre Brille. Egal, ob Papa nun einen Pfennig dazubezahlt hat oder nicht.

Und so soll das Wunder funktionieren: Die zu stark gewölbte Hornhaut des Kurzsichtigen wird mit einem Diamantmesser bis zu 16mal geritzt. Durch den Innendruck des Auges flacht die Wölbung ab. Wenn die winzigen Schnitte vernarbt sind, stimmt die Optik, denn ein Computer hat nach der Voruntersuchung Lage und Tiefe der Schnitte genau berechnet. Nur sieben Minuten dauert die Operation, dann gibt es Kaffee und Schnittchen. Ein paar Tage braucht das Auge zum Verheilen und wird solange mit einer Augenklappe geschützt. Dann kommt das andere dran. „Das geht wie am Fließband“, meint Rüdiger Pallentin von der Lloyd-Werft zur taz. Die Patienten würden von Arzt zu Arzt weitergereicht. Auf der „Mikhail Suslow“ werden die Patientenbetten allerdings sternförmig angeordnet sein. Wie die Trommel eines Revolvers werden die vier Bettensterne auf dem früheren Autodeck rotieren.

Der 61jährige Professor Fjodorow ist nicht nur ein berühmter Mediziner, sondern auch ein geschäftstüchtiger Mann. Seine Moskauer Augenklinik betreibt er auf eigene Rechnung. Die Räume hat er vom Staat gepachtet. Bei jeder Operation liegen seine eigenen Kosten erheblich unter der Vergütung, die ihm der Staat bezahlt. Kein Wunder, daß er an Expansion denkt: Nach seiner Methode wird auf einem Binnenschiff operiert, das auf den endlosen sowjetischen Strömen unterwegs ist. In den Häfen sollen die Kurzsichtigen Schlange stehen. Aber nicht nur Sowjetbürger wollen unter Fjodorows Diamantmesser: Rund 20 Prozent der Patienten in seiner Moskauer Klinik stammen aus dem Westen. Die Operation und der mehrtägige Aufenthalt kosten sie pauschal 4.500 Mark, gebucht werden kann beim Intourist-Büro in Frankfurt.

Was eine Kreuzfahrt inklusive Operation kosten wird, steht noch nicht fest. Sicher ist nur: Im Juni wird das Schiff in See stechen und Kurs auf den Nahen Osten nehmen. Denn die wichtigste Zielgruppe der Operationsteams sind wohlhabende Araber. Das macht besonders für die sowjetische Reederei einen Sinn. Ein norddeutscher Kenner der Kreuzfahrtbranche: „Wenn der Vater operiert wird, dann kommt der ganze Clan mit an Bord. Da wird der Dampfer immer voll.“ So ziehen sowjetische Seeleute und Mediziner an einem Strick. Folgerichtig betreiben Professor Fjodorow und die Schwarzmeer-Reederei den Umbau der „Mikhail Suslow“ im Joint -venture. Bei der zukünftigen Arbeit wechseln sie sich ab: Operiert wird nur, wenn das Schiff fest vertäut im Hafen liegt, damit keinem Arzt im Seegang das Messer ausrutscht.

In der Bundesrepublik wird Fjodorows Methode bisher nicht angewandt, und die Krankenkassen sind auch noch nicht bereit, ihren Mitgliedern eine Kreuzfahrt zu finanzieren. Aus der Sicht bundesdeutscher Augenärzte sind die Operationen zu riskant. Dennoch plant Professor Fjodorow schon seine nächste Klinik. Diesmal auf festem Boden: in West-Berlin.

Michael Weisfeld