Keine Beschäftigungstherapie

■ Im Rahmen des „BANA„-Projektes bildet die Technische Universität ältere Menschen für „nachberufliche Arbeitsbereiche aus / Studium plus Lebenserfahrung als Qualifikation für Ehrenämter und Industrieaufträge

„Mit BANA hat sich der Traum meines Lebens erfüllt“, schwärmt Ingeborg Wetring: „Das Programm ist einfach phantastisch.“ Seit drei Semestern studiert die 64jährige an der TU und ist, wie anscheinend alle TeilnehmerInnen des BANA-Modells, hellauf begeistert. BANA - das steht für „Berliner Modell: Ausbildung für Nachberufliche Arbeitsbereiche“. Begonnen wurde dieser Modellversuch im Sommersemester 1985. Seitdem gab es 211 TeilnehmerInnen im Alter zwischen 40 und 85 Jahren. Stolz präsentiert Ingeborg Wetring das Ergebnis einer Projektarbeit: „NWTAP-One“, ein Nährwerttabellen- und -analyseprogramm. In Windeseile können mit NWTAP individuelle Ernährungs- und Diätpläne zusammengestellt werden.

„Keine Beschäftigungstherapie, keine Bewahranstalt für Professorengattinnen“, faßt Hans-Joachim Rieseberg, Leiter des Büros für wissenschaftliche Weiterbildung der TU und „geistiger Vater“ des Projekts, die Zielsetzung von BANA zusammen. Heute, nach fast vier Jahren, sei er „mächtig stolz“ auf seine Idee. „Studium mit Lebenserfahrung zu verbinden, das bringt Bewegung für die ganze Universität.“

Anders als andere Senioren-StudentInnen absolvieren die BANA-Leute ein festgelegtes Studienprogramm. Drei Schwerpunkte stehen zur Auswahl: Umweltschutz im lokalen Umfeld, Ernährung und Verbrauch und Stadtstruktur und gesellschaftliche Kontexte. Vier Semester dauert das Studium. Besucht werden größtenteils ganz „normale“ Seminare. Auf die „älteren“ Semester wird keine besondere Rücksicht genommen, für sie gelten dieselben Bedingungen wie für die jüngeren StudentInnen. Fast zumindest: „Anders als die richtigen Studenten können wir nicht einfach ein Semester dranhängen“, erklärt eine Teilnehmerin, „wir müssen in vier Semestern fertig sein.“

Einmalig ist auch die Zielsetzung von BANA: das Studium soll zu einer nachberuflichen Tätigkeit führen: Die AbsolventInnen sollen nach dem Studium zum Beispiel als InformationsvermittlerInnen, UmweltberaterInnen, DozentInnen für Ernährungsfragen, AusstellungsmacherInnen etc. tätig sein. Oft weisen bereits die Studienprojekte schon den Weg. So wie bei Brigitte Lange. Sie beschäftigte sich im Schwerpunkt „Stadt“ mit Werbeinschriften aus der Zeit um die Jahrhundertwende und konzipierte zusammen mit fünf anderen Absolventinnen die Ausstellung „Pinsel, Farbe und Schablone“. Ein erster Erfolg: die Ausstellung wurde jetzt im Heimatmuseum Hermsdorf gezeigt. Rund 90 Prozent der BANA -AbsolventInnen finden nach dem Studium eine neue Tätigkeit, so die Schätzung von Hans-Joachim Rieseberg. Die Spanne reicht dabei von ehrenamtlichen Tätigkeiten bis hin zu Industrieaufträgen.

Bezahlt oder ehrenamtlich - mit dieser Frage setzen sich auch die BANA-StudentInnen immer wieder auseinander. Angesichts gewandelter Teilnehmerstrukturen hat diese Frage eine andere Bedeutung gewonnen. Die BANA-StudentInnen, so wurde festgestellt, werden immer jünger. Derzeit liegt das Durchschnittsalter bei 49 Jahren bei den Frauen und 57 Jahren bei den Männern. Eine zehnjährige Berufstätigkeit, zu der auch Hausarbeit zählt, gilt als Teilnahmevoraussetzung. Viele der „neuen“ BANAer hoffen, sich durch die Universitätsausbildung ein neues Berufsfeld erschließen zu können. „Denen beim Arbeitsamt habe ich gesagt, was ihr anbietet, ist Dreck, ich gehe zur TU“, sagt eine Teilnehmerin. Wieweit es tatsächlich gelingt, mit dem viersemestrigen Studium eine dauerhafte Erwerbstätigkeit zu erreichen, ist allerdings noch nicht bewiesen. Nicht zu leugnen ist dagegen der Gewinn an Selbstbewußtsein. „Wir sind kein kleines, feines Projekt“, heißt es, „wir sind innovativ und geben der Uni etwas, was nicht mit Geld zu messen ist.“ Deshalb fordern die BANA-TeilnehmerInnen jetzt die institutionelle Absicherung des Projektes. BANA wird nämlich vorläufig aus dem Weiterbildungstopf der TU finanziert. Nach dem unerwarteten Wahlausgang zeigen sich jedoch alle Beteiligten optimistisch, daß das Berliner Modell der nachberuflichen Ausbildung auch über die Jahreswende hinaus gefördert werden wird.

Frauke Langguth