Trügerische Ruhe vorbei

■ Schuldenkrise im Lichte der Unruhen in Venezuela

Seit einigen Monaten mehren sich die Stimmen, die darauf hinweisen, daß die Ruhe in der Schuldenkrise mehr als trügerisch ist. Die Unruhen in Venezuela haben jetzt deutlich gemacht, daß nach dem ersten Mexiko-Schock 1982, der Hochzinsphase 1985 mit der zweiten scharfen Krise - die die Banken nur durch Zugeständnisse gegenüber Mexiko abwenden konnten - und der Zahlungsverweigerung Brasiliens 1987 ein erneuter Höhepunkt in der Schuldenkrise bevorsteht.

Staaten wie Peru oder Bolivien, die dem Weltmarkt kaum etwas zu bieten haben, sind seit längerem abgeschrieben, ihnen wurden stets die „guten Kollegen“ Venezuela, Südkorea oder auch Mexiko als große Beispiele vorgehalten, wenn die Zentralamerikaner gerade eine willfährige Phase hatten. Im Januar nun hat Musterschuldner und Ölexportland Venezuela den direkten Durchmarsch von der Zahlungsfähigkeit zum nahezu totalen Zahlungsstopp vollzogen, ohne zuvor den Zwischenschritt einer Unterwerfung unter die IWF -Auflagenpolitik zu gehen. Ein logischer Schritt, wenn man bedenkt, daß man seit sechs Jahren nur gezahlt hat, um nun festzustellen, daß sich am Schuldenstand fast nichts geändert hat und an Devisen nur noch eine Handvoll Dollar -Milliarden übrig geblieben sind.

Die Venezuelakrise fällt jetzt in eine Zeit, in der wieder weltweit höhere Zinsen erwartet werden. Die letzte Hochzinsphase konnte eine Reihe von Großschuldnern nur durch den Griff in die finanzielle Substanz der Devisenreserven überstehen. Die ist nun ausgeschöpft, wie sich gerade am vermeintlichen Paradebeispiel zeigt. Länder ohne entsprechende Devisenreserven haben auf alle möglichen Hotels, Fabriken, Hochhäuser oder riesige Ländereien im Rahmen von Schulden-Swaps den Kuckuck kleben lassen. Auch hier hat sich beim Schuldenstand kaum etwas getan.

Fast wäre man versucht zu sagen, gerade noch rechtzeitig vor der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank ist mal wieder klargeworden, daß es keinen marktwirtschaftlichen Weg zur Krisenlösung gibt. Aber dafür müßte man wenigstens eine geringe Hoffnung haben, daß die Vorgänge in Venezuela Einfluß auf die Entscheidungen in Washington Anfang April haben werden.

Ulli Kulke