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Lauschangriff auf AKW-Gegner

Um Atommülltransport nach Gorleben abzusichern, zapfte der niedersächsische VS Telefone aus dem Wendland an  ■  Von Jürgen Voges

Hannover (taz) - Im Vorfeld des in letzter Minute untersagten Atommülltransportes ins Wendland hat der niedersächsische Verfassungsschutz die Telefone der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg illegal abgehört. Den Grünen im niedersächsischen Landtag liegt eine Liste der Telefonanschlüsse vor, die ab letzten Freitag vom VS belauscht worden sind. Die Inhaber der sieben dort aufgeführten Anschlüsse sind allesamt wendländische AKW -Gegner. Auf der Abhörliste stehen auch die Telefone der Vorsitzenden der BI Lüchow-Dannenberg, Rebecca Harms, und ihres Stellvertreters Peter Bauhaus. Fünfmal wurde im Landkreis, zweimal im Nachbarkreis Uelzen abgehört. „Unsere Unterlagen umfassen alle Anschlüsse, bei denen der Verfassungsschutz eine G-10-Telefonüberwachung Ende vergangener Woche neu angeordnet hat“, sagte gestern in Hannover der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann. Der VS habe das Abhören angeordnet, um die Polizei vorab über die Aktionen der BI gegen den geplanten Atomtransport informieren zu können, den das Verwaltungsgericht Lüneburg am Dienstag gerade noch gestoppt habe. Fortsetzung auf Seite 2

Mit der Abhöraktion sei das Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungschutz in skandalöser Weise umgangen worden, erklärte gestern der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen Jürgen Trittin.

Die BI Lüchow-Dannenberg sei keine verfassungsfeindliche Organisation. Schon deswegen sei die Abhöraktion nicht durch das G-10-Gesetz gedeckt und in jedem Fall illegal. Weil die Strafprozeßordnung bei anstehenden Blockaden keine Telefonüberwachung zulasse, habe sich die Polizei die Informationen für ihren Einsatz auf illegalem Wege beschaffen wollen.

AKW-Gegner aus dem Wendland waren aus schon in der Vergangenheit vor Blockadeaktionen im großen Stil observiert und ihre Telefone überwacht worden. Die Polizei hatte dies bisher mit Ermittlungsverfahren nach §129 und 129a begründet, von denen bis heute keines zu einer Gerichtsverhandlung führte. Zur Zeit ist aber kein Ermittlunsgverfahren mehr anhängig. Das Innenministerium in Hannover wollte gestern das Abhören der BI-Telefone weder bestätigen noch dementieren. Der Grüne Abgeordnete Trittin hat gestern die G-10-Kommission aufgefordert, die von der illegalen Aktion Betroffen sofort offiziell über die Abhörmaßnahmen zu informieren. Die Vorsitzende der BI Lüchow -Dannenberg hat Strafanzeige gegen den Niedersächsischen Verfassungschutz gestellt.

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