Sahara-Friedensplan mit drei Etappen

Erwartungsvoll sieht die Polisario einem Referendum für die von ihr ausgerufene Demokratische Republik Sahara entgegen / Interview mit Mohammed Achmed Brahim, dem Vertreter der Polisario in der Bundesrepublik  ■ I N T E R V I E W

taz: Mohammed Abdelazis, der Präsident der von der Polisario ausgerufenen „Demokratischen Republik Sahara“ (DARS) hat fürs Wochenende ein zweites Treffen zwischen der Polisario und dem marokkanischen König angekündigt. Was erwartet die Polisario davon?

Achmed Brahim: Es werden Verhandlungen sein, wie der Friedensvorschlag der UNO und der OAU für die Westsahara realisiert werden kann. Der Plan sieht drei Etappen vor: direkte Verhandlungen zwischen Marokko und der Polisario, zweitens einen Waffenstillstand - der von uns befristet ausgerufen wurde - und drittens ein Referendum unter allen Sahrauis ohne militärischen und administrativen Zwang. Die Gespräche werden sich auch um die Beziehungen zwischen Marokko und der DARS drehen.

Aber das Referendum soll doch erst darüber entscheiden, ob es überhaupt eine solche eigene, unabhängige Republik geben wird, oder ob dieses Gebiet zu Marokko gehören soll?

Es gibt, wie Abdelazis betont hat, zwei Optionen: erstens, daß Marokko von vornherein die Unabhängigkeit und die volle Souveränität der Sahara anerkennt - dann sollte man nur über die zukünftigen Beziehungen beider Staaten diskutieren. Wenn König Hassan dies nicht akzeptiert, muß man klären, unter welchen Bedingungen das Referendum stattfinden kann. In diesem Fall sollte man sich über den Abzug der marokkanischen Armee und Verwaltung aus der Westsahara und vor allem über den Abzug der marokkanischen Siedler unterhalten.

Vor zwei Wochen wurde in Marrakesch eine „Arabische Maghreb -Union“ von fünf Maghreb-Ländern gegründet, darunter Algerien und Marokko. Muß die Polisario sich angesichts dieser Einigungsbestrebungen nicht auf eine Kompromißformel mit einer Autonomieregelung hinorientieren?

Wir lehnen diese Vorstellungen einer Autonomie im Sinne Marokkos ab. Eine Entspannung zwischen den Maghreb-Ländern wird für eine Lösung des Konflikts nur zum Vorteil sein. In der Erklärung für die Maghreb-Union wurde gesagt, jedes arabische Maghreb-Land kann Mitglied der Union werden. Und das einzige Land, das diese Voraussetzungen erfüllt und noch nicht Mitglied ist, das ist die DARS. Aber für uns gibt es keine Möglichkeit wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit den anderen Maghreb-Ländern, solange der Konflikt besteht. Dessen Lösung kann nur entsprechend der UNO-Resolution gefunden werden.

Wann kann ein Referendum stattfinden?

Man wird nach der Klärung der einzelnen Modalitäten noch etwa ein Jahr Vorbereitungszeit einkalkulieren müssen. Aber 1990 wird es durchaus stattfinden können. Neben einem Rückzug der marokkanischen Armee und Verwaltung muß auch deren Ersetzung durch eine internationale Verwaltung sowie UNO-Sicherheitskräfte geklärt werden.

Die Polisario sieht einem Referendum recht erwartungsvoll entgegen. Worauf stützt sich eure Einschätzung, daß eine Mehrheit zustande kommt für eine volle Unabhängigkeit der Westsahara - also auch bei den Sahrauis, die heute unter marokkanischer Herrschaft leben?

Bereits 1975 stellte die erste UNO-Kommission, die dieses Territorium besuchte, erstaunt fest, daß die große Mehrheit des sahrauischen Volkes eine Unabhängigkeit will und die Ansprüche Marokkos und - damals noch - Mauretaniens ablehnte. Das war sogar noch vor dem Einmarsch der marokkanischen Armee. Nach 13 Jahren Besatzung ist es erst recht so: Die marokkanische Besatzung war von einer starken Repression gegen die Sahrauis geprägt. Wenn man argumentiert, daß die Marokkaner viel Geld in die Westsahara gesteckt haben, muß man dazu sagen: vor allem in den Krieg, der fünf Millionen täglich kostet; darüberhinaus vielleicht auch in die Stadt El-Ayoun - aber die Westsahara besteht nicht nur aus einer Stadt, sondern sie ist etwa so groß wie die Bundesrepublik. Und was hat Marokko gemacht in Haouza, in Aouzert und anderen Orten? Zerstörungen!

Wieviel Prozent der Bevölkerung dieses Gebietes leben aber heute in der Hauptstadt El-Ayoun, 60 oder 70 Prozent?

In El-Ayoun leben neben einem Sahraui 15 Marokkaner. Investiert wurde nicht nach dem Bedarf der sahrauischen Bevölkerung, sondern für den Bedarf des marokkanischen Militärs und deren Angehörigen. Darüberhinaus wurde auch viel mit sahrauischem Geld aufgebaut, durch Kredite an den marokkanischen Staat, aber viele haben dieses Geld noch nicht wieder zurückbekommen. Ich will aber zur Frage der Einschätzung des Referendums noch sagen, daß es keine Unterschiede gibt zwischen den Sahrauis in den besetzten Gebieten und denen, die unter der Polisario in den Flüchtlingslagern leben.

Wenn der für Dich unwahrscheinliche Fall eintritt, daß die Mehrheit beim Referendum doch nicht für eine volle Unabhängigkeit votiert - was würde die Polisario machen?

Wir akzeptieren den UNO-Friedensplan und auch ein Referendum, wenn es unter Aufsicht der UNO stattfindet - und dies in seiner ganzen Konsequenz.

Interview: Thomas Hartmann