Etwas Licht in dunkle Dienste

■ „Verfassungsschutz-Skandal in Berlin - in Bremen unmöglich?“ Eine Veranstaltung des Forums „Bürgerrechte und Demokratie“

„Ich scheine ein Terrorist zu sein“, bekannte ein Mann aus Findorff am Freitag abend bei der Diskussion über den Verfassungsschutz. Neben dem Grünen-Abgeordneten Martin Thomas und dem Berliner taz-Radakteur Jürgen Gottschlich saß auch der Sprecher der ÖTV-Fachgruppe Verfassungsschutz und stellvertretende Leiter des Bremer Landesamtes, Lothar Jachmann, auf dem Podium.

Der Mann, der sich als „Terrorist“ meint sehen zu müssen, berichtet den ca. 80 Teilnehmern der Veranstaltung auch, warum:

Vor ein paar Wochen war ein Nachbar zu ihm gekommen und hatte ihn gefragt, ob er eigentlich wisse, daß er beobachtet werde. Dem Nachbarn war eine Bildmappe vorgelegt worden, er sollte Personen identifizieren - aber er kannte nur die, die in der Straße wohnen. Mit dem Hinweis, vielleicht stehe er ja manchmal am Fenster und sehe, wer so an der Tür der Nachbarn klingelt, verabschiedeten sich die mysteriösen Herren und kündigten an, sie wollten wiederkommen. „Ich bin so ein kleiner Karl Arsch“, erklärte der Findorffer - Aus

kunft, was gegen ihn im Gange ist, habe er nicht bekommen.

Wie die Verfassungsschutz-Ämter kontrolliert werden könnten, wie leicht sie außer Kontrolle geraten, war das Thema des Abends. Aus Berlin, wo Jachmann 20 Jahre lang gedient hat, berichtete der taz-Redakteur Gottschlich von der Bespitzelung diverser Journalisten und der taz. Der Innensenator Kewenig hatte erklärt, die taz sei nicht „Beobachtungsobjekt“ - so lautet der offizielle Terminus des Verfassungsschutzes gewesen. Was Kewenig verschwieg: Es gibt auch „Verdachtsobjekte“, und ein solches war die taz von 1979 bis 1985. (vgl. taz 3.3.) Der Bremer VS-Vize Jachmann forderte in diesem Zusammenhang, die Definition von VS-Aufträgen über den Begriff „Verdachtsobjekt“ genau zu regeln. Daß die taz in Berlin besonderes Interesse des VS erregte, konnte Jachmann bestätigen. Sein damaliger Chef sei von seinem Antrittsbesuch mit dem CDU-Innensenator Lummer gutgelaunt zurückgekommen und habe „mein Senator“ gesagt und berichtet, der sei offenbar nicht an dem traditionellen SEW -Spektrum, sondern an AL und taz interessiert.

80% der vom VS ausgewerteten Informationen stammten aus öffentlich zugänglichen Quellen, versuchte Jachmann die Arbeitsweise des Amtes zu entmystifizieren. 70-80 Personen stünden in Bremen auf dem Stellenplan. Die Heimlichtuerei sei „zumeist nichts weiter als Bequemlichkeit“, weil dann über Effektivität und Ziele keine Rechenschaft abgelegt werden müsse.

Die interessierten Zuhörer glaubten offensichtlich nicht an eine mögliche Kontrolle des VS. Das Gefährliche seien die Überwachungen einzelner Personen,

meinte der Anwalt E. Behm. „Wer ist in Bremen eigentlich das Objekt der Begierde: die DKP, der BBA-Laden oder gar das Eine-Welt-Haus?“

Jachmann versuchte, eine Grenze für eine legitime Arbeit des Verfassungsschutzes zu ziehen. Personenbezogene Daten sollten nur noch über knallharte Terroristen (RAF) gespeichert werden und nicht mehr über jedes kleine DKP -Mitglied oder „den 75-jährigen, der auf Herrn Frey hereingefallen ist“. Der BBA-Laden verstoße nicht gegen die Verfassung, also werde er auch nicht überwacht. Auf den Einwand, die DKP müsse doch langsam auch aus dem Blick des VS verschwinden, meinte Jachmann, das sei „ein dorniger Weg“, er sei aber bereit, ihn zu gehen.

Der Sozialdemokrat Isola sprach das Verhältnis zwischen dem mit nachrichtendienstlichen Mitteln, aber rein beobachtend tätigen Verfassungsschutz auf der einen Seite und der politischen Abteilung der Kriminalpolizei (Staatsschutz) auf der anderen an. „Der Staatsschutz übernimmt immer mehr die Aufgaben und Kompetenzen des VS, da ist die PKK nicht am Ball“, meinte Isola. Die Trennung sei „in Bremen sauber geregelt“, betonte Jachmann. Allerdings sei es ein „Krebsschaden“, daß die Ausbildung nicht getrennt sei und deshalb das Personal zwischen Polizei und Verfassungsschutz häufig hin-und herwechseln könne.

Und was ist mit „Karl Arsch“, fragte der Diskussionsleiter Peter Groth gegen Ende der Versammlung. Der VS-Mann auf dem Podium wiegte da nur den Kopf, der aufmerksame Zuhörer Hans -Georg von Bock und Polach sagte kein Wort, „Karl Arsch“ blieb Karl Arsch und ohne Recht auf Auskunft.

st/kw