Rot-Grüne Wetterlage

■ Der Delegiertenrat der Alternativen Liste war enttäuscht über das Zwischenergebnis der Verhandlungsrunde / Keine Annäherung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik

Der Delegiertenrat war turnusgemäß schlecht gelaunt. Als Christian Ströbele und andere am Freitag abend die ersten Ergebnisse der AL/SPD Verhandlungsrunde präsentierten, herrschte Oppositionsstimmung. Den ganzen Abend hieß das Thema „Wundenlecken“.

Noch am Mittwoch letzter Woche, als die zehn Untergruppen ihre Papiere vorstellten, stand Euphorie auf der Tagesordnung. Anhaltender Beifall für Ströbele und sein Verhandlungsergebnis im Bereich Innere Sicherheit, Polizei. Jauchzende Zustimmung für die Vereinbarungen über Ausländer und Asyl. Die kritischen Töne der Finanzsachverständigen wurden geflissentlich überhört.

Am Freitag also Kontrastprogramm: „Fast nicht bewegt“ habe sich die SPD am ersten Tag der letzten beiden Verhandlungsrunden, sagte geknickt Ströbele. Ja sogar hinter bereits Vereinbartes zurückgefallen sei sie. Die Auflösung der Freiwilligen Polizeireserve, in der Unterkomission schon beschlossen, wurde vom SPD-Verhandlungsführer Momper wieder zum „Dissens“ erhoben. Keine Annäherung gab es auch bei der Finanz- und Wirschaftspolitik. Die von der AL geforderte Erhöhung der Gewerbesteuer lehnt die SPD genauso ab wie eine Ausbildungsabgabe. Das Berlinförderungsgesetz wird vorläufig nicht geändert. Ein Antrag von Jochen Esser, die AL solle das Berlinförderungsgesetz erneut zum Dissens erheben, wurde dann allerdings abgelehnt. Kritik aus Spandau kam an der Höhe der Nettoneuverschuldung. Da Frank Koslowski jedoch mit seiner Kritik nicht gerade Fachkompetenz bewies, wurde er unter Gelächter auf seine „Wohngemeinschaftskasse“ (Köppl) verwiesen, die er erstmal in Ordnung bringen solle.

Die ursprünglich für den Freitag abend vorgesehene Debatte um Ressortansprüche der AL in einem rot-grünen Senat wurde zurückgestellt. Man will jetzt das Ergebnis der Sachverhandlungen abwarten. Keine Fortschritte machte ebenfalls die von Micha Wendt noch einmal angezettelte Diskussion um die Regierungsform. Er plädierte dafür, die AL müsse sich auch die Option Opposition offenhalten. Die vorherrschende Meinung war jedoch: „Wir können da nicht mehr raus.“ Und so skeptisch auch der Verhandler Ströbele am Freitag abend gewesen sein mag, auf dem Grünen Parteitag in Duisburg ließ er keinen Zweifel, daß er trotzdem in die Regierung will (siehe Tagesthema).

Offen bleibt die Frage, warum das Gros der Delegierten nicht merkt, wie es von den persönlichen Stimmungen der Verhandler und der jeweiligen politischen Taktik mißbraucht wird. Bedeutungsvoll und aussagekräftig jedenfalls wird das, was in der Badenschen Straße gesagt und gefühlt wird, erst, wenn alle, die dort sitzen, die rot-grünen Vereinbarungen schwarz auf weiß haben. Dann erst kann abgewogen werden über Opposition, Tolerierung oder Koalition.

Am nächsten Mittwoch tagt der DR erneut. Bis dahin liegen alle Verhandlungspapiere schriftlich vor.

bf