Junblatt zündet „politische Bombe“

Der libanesische Drusenführer zog ein Rückkehrangebot an 150.000 christliche Flüchtlinge zurück und warnte vor einer Militärdiktatur unter US-israelischer Schirmherrschaft  ■  Aus Beirut Petra Groll

Kaum war der Machtkampf zwischen den Flügeln des christlichen Lagers beendet, schien das politische Klima im Libanon von einem neuen Kälteeinbruch bedroht. Der Drusenfürst und Chef der Progressiv Sozialistischen Partei (PSP) Walid Junblatt hatte bei einer seiner traditionellen sonntäglichen Pressekonferenzen die „politische Bombe“ gezündet, wie die Beiruter Zeitungen vom Montag befanden. Junblatt wandte sich frontal gegen die sich abzeichnende Machtübernahme der Armee, zog ein Angebot an 150.000 christliche Flüchtlinge zurück, in ihre von der Drusenmiliz beherrschten Dörfer zurückzukehren und teilte schließlich mit, daß er der nächsten Runde der Libanon-Initiative der Arabischen Liga fernbleiben werde.

Der Beiruter freie Devisenmarkt reagierte am Montag mit einem erneuten Sturzflug der Landeswährung gegenüber dem US -Dollar. Verunsichert zeigte sich auch die Arabische Liga: Plötzlich stand die Ankunft ihres Unterhändlers in Frage, der die dreizehn mächtigsten Regionalherren des Landes zur dritten Arbeitsrunde des „Siebener-Komitees“ für Mitte März nach Kuwait einladen sollte. Bei bislang zwei Sitzungen hatte die seit Januar laufende „Libanon-Initiative“ der Liga mit der Anhörung der beiden rivalisierenden Regierungen und der Oberhäupter der sechs größten libanesischen Glaubensgemeinden einen vielversprechenden Erfolg verbuchen können. Junblatt sagte am Sonntag seine Teilnahme an der dritten Runde überraschend ab.

Seine zweite Absage zerschlägt wenigstens vorläufig die Hoffnung der ca. 150.000 christlichen Flüchtlinge auf baldige Rückkehr in ihre seit 1983 bzw. 1985 von der PSP beherrschten Heimatorte in den südöstlich von Beirut gelegenen Shouf- und Iglimbergen. Für den Widerruf seines spektakulären Rückkehrangebots von Anfang des Jahres machte Junblatt nicht nur den Mangel an positivem Echo seitens der maronitischen Kirche, des Vatikans und der christlich -maronitischen Parteien verantwortlich.

Er beschuldigte direkt den maronitischen Patriarchen Sfeir, den Chef der maronitischen Einheitsmiliz „Forces libanaises“, Geagea, und den Chef der militärischen Übergangsregierung in Ostbeirut, General Aoun, dem Mörder seines engsten Freundes und Mitarbeiters Schutz zu gewähren

-Anwar Fatayiri, als Funktionär der PSP mit der praktischen Durchführung der „Initiative zur Rückkehr der Christen“ betraut, war Anfang Februar im Shouf erschossen worden.

Die bemerkenswerteste politische Attacke richtete Junblatt gegen die sich abzeichnende Machtübernahme der Armee im Libanon. „Wenn es auch einen taktischen Konflikt zwischen General Aoun und Milizchef Geagea gegeben hat“, analysierte er die jüngsten blutigen Machtkämpfe im Christenlager, „so ist doch klar, daß es um die Verteilung der Pfründe ging und nicht um politische Fragen zur Zukunft des Landes. Nur deshalb konnten Israel, die USA und der Vatikan die Kämpfe so schnell beenden. Wenn alles so weitergeht wie bisher“, warnte Junblatt, „werden wir eine Militärdiktatur unter US -israelischem Joch erleben, ganz sicher keine Demokratie.“

Als bisher einziger Politiker des „moslemisch-progressiven“ Oppositionslagers kritisierte Junblatt auch die Entsendung der aus West-Beirut befehligten moslemischen Armee-Einheiten in den Süden des Landes.