18.000 streiken für Druck-Tarif

■ Streikwelle zum Auftakt der sechsten Schlichtungsrunde: Arbeitsniederlegungen am Montag in 120 Betrieben / Urabstimmungen in einzelnen Betrieben ergaben 90 Prozent Zustimmung für Kampfmaßnahmen

Wiesbaden/Berlin (dpa/taz) - Mit einer heftigen Streikwelle hat die Industriegewerkschaft Druck und Papier zum Auftakt der sechsten Schlichtungsrunde im Tarifkonflikt der Druckindustrie Druck gemacht. Rund 18.000 Beschäftigte in mehr als 120 Betrieben haben nach Angaben des Drupa -Sprechers Hermann Zoller am Montag die Arbeit niedergelegt, davon einige zunächst unbefristet. Währenddessen richteten sich die Verhandlungsdelegationen zusammen mit dem Schlichter, dem Präsidenten des Bundessozialgerichts Heinrich Reiter, für die auf drei Tage angesetzte Schlichtungsrunde in Wiesbaden auf Mammutsitzungen ein.

In Baden-Württemberg streikten 1.260 Beschäftigte, unter anderem beim 'Mannheimer Morgen‘ und der 'Schwäbischen Zeitung‘ in Leutkirch. In Bayern wurde die 'Mittelbayerische Zeitung‘ bestreikt, in Darmstadt war Burda betroffen. In Berlin streikten die Abendschichten der Mercator-Druckerei ('Tagesspiegel‘) und der Druckerei des 'Volksblatts‘, in der auch die taz hergestellt wird. In Bremen und Niedersachsen haben insgesamt 2.200 Beschäftigte befristet die Arbeit niedergelegt, in Nordrhein-Westfalen 5.000 Beschäftigte. In einzelnen Betrieben hat die IG Druck inzwischen bei Urabstimmungen über 90prozentige Zustimmung für Kampfmaßnahmen eingeholt.

Bei den Schlichtungsverhandlungen, so hieß es am Rande des Geschehens in Wiesbaden, komme man jetzt ans „Eingemachte“. In kleiner Runde, mit jeweils zwei Vertretern beider Seiten und dem Schlichter, versucht man sich zunächst an einem Kompromiß für die umstrittene Arbeit am Wochenende. Die Gewerkschaft forderte ursprünglich ein Verbot der Wochenendarbeit für alle Druckereien mit Ausnahme aktueller Tageszeitungen und Zeitschriften, ist aber inzwischen offenbar bereit, an acht Samstagen Zeitschriftenproduktion zuzulassen. Die Unternehmer dagegen drängen auf mindestens 23 Arbeitseinsätze pro Beschäftigten im Rahmen der Regelarbeitszeit. Darüber hinaus will die Drupa die Arbeitszeit am Samstag auf spätestens 15 Uhr begrenzen. Aktuelle Zeitschriften, wie etwa der 'Spiegel‘, könnten jedoch auf jeden Fall am Samstag gedruckt werden, hieß es.

Der für Tarifpolitik zuständige stellvertretende Vorsitzende der IG Druck, Detlef Hensche, schrieb in der neuesten Ausgabe der Mitgliederzeitschrift 'druck und papier‘: „Was wir im Tarifvertrag festschreiben wollen, ist die bisher geübte Praxis in den Betrieben.“ 99,9 Prozent der Druckbetriebe kämen mit der Regelung gut zurecht, daß grundsätzlich das Wochenende frei ist. Nur eine Handvoll Betriebe wollten plötzlich die Produktionszeit auf regelmäßige Wochenendarbeit ausdehnen. „Zufällig handelt es sich um Großunternehmen“, schreibt Hensche, „und zufällig sind drei der größten in der Verhandlungskommission des Bundesverbandes Druck vertreten.“ Wenn diese sich durchsetzten, müßten die kleineren Druckereien und deren Belegschaften wegen der so entstehenden Wettbewerbsverzerrungen darunter leiden.

Bei anderen Punkten ist noch keine Annäherung zu erkennen. Die Unternehmer der Druckindustrie mögen der Gewerkschaft keine Mitbestimmung im Gesundheitsschutz zugestehen. Ebenso kommt eine Begrenzung der Überstunden auf 25 pro Quartal für sie nicht in Frage. Bei der Frage der Entschädigung der durch die Steuerreform verursachten Einbußen der Schichtarbeiter haben sich dagegen die Standpunkte inzwischen offenbar angenähert.

Martin Kempe