Küsse für die Damen

Zum Internationalen Frauentag  ■ K O M M E N T A R

Keine Blumen für die Damen. Blumen, so ein Quatsch. Frauen sind nichts besonderes. Frauen sind Menschen wie du und ich. Keine Blumen wie am Muttertag, keine Ehrungen, keine Kränze. Keine abgeschnittenen Schlipse wie an Weiberfastnacht, keine zurückeroberte Nacht wie in der Walpurgisnacht. Frauentag ist ein Tag wie jeder andere, denn jeder Tag ist Frauentag. Jeden Tag ein wenig Kampf, du merkst es kaum. Wir sind gewöhnt daran. Jeden Tag müssen Frauen ein bißchen mehr aufpassen. Jeden Tag können sie vergewaltigt werden. Jeden Tag kann ihnen an verschiedenen Orten der Welt die Abtreibung verweigert werden. Jeden Tag mal eben den Lebensplan durch die Finger flutschen lassen. Jeden Tag Frauenschicksal. Jeden Tag Angst auf der Straße. Jeden Tag Bemerkungen über das Aussehen. Oh, heute seh ich schön aus, oder fürchterlich, je nach Laune des Müllmanns oder Bauarbeiters. Jeden Tag abmagern. Jeden Tag schminken. Auf spitzen Schuhen laufen. Jeden Tag nackte Frauen sehen, jeden Tag jung sein. Ohne Wut zu haben. Jeden Tag die Geschichte hören von einem, der seine Frau verließ, um sie gegen eine zwanzig Jahre Jüngere, gleicher Typ natürlich, einzutauschen. Jeden Tag Männer im Fernsehen. Jeden Tag überall Männer, die was zu sagen haben. Jeden Tag sich freuen über die eine, die dazugekommen ist. Jeden Tag auf der Hut sein vor Gedankenklau. Vor gleichgesinnten Männern. Wenn Teweleit ein ganzes Buch über den Mißbrauch von Künstlerfrauen schreibt, ist das einem bekannten Nachrichtenmagazin zwei Rezensionen wert. Feministinnen sagen seit Jahren dasselbe, schreiben es in ihre Bücher. Na ja.

Wir sind stolz auf unsere Erfolge. Blumen für die Damen. Nein, nicht Blumen, Küsse. Nur Liebe hilft uns weiter. Dabei haben wir wirklich viel erreicht. Wir haben eine Frauenministerin. Sie ist dazu da, daß es uns noch besser geht. Wir sind erfolgreich in unseren Berufen. Überall sieht man Frauen. Krankenschwestern, Lehrerinnen, Verkäuferinnen, Sekretärinnen, Putzfrauen. Manchmal sieht man Ärztinnen, eine Frau auf dem Bau, viele Polizistinnen, viele viele Wissenschaftlerinnen. Viele kluge Frauen, auch wenn sie keine bezahlte Beschäftigung haben. Man kann sagen, die Frauen sind klüger und gebildeter geworden. Was haben wir nicht alles erreicht. Mindestens drei Vizepräsidentinnen an den verschiedenen Hochschulen. Ein oder zwei Rektorinnen.

Ja, das Leben ist insgesamt für die Frau freier geworden. Zu keiner unverheirateten Achtzigjährigen wird mehr „Fräulein“ gesagt. Wir können seit Jahren frei entscheiden, wohin wir reisen wollen. Niemand schmeißt uns aus der Kneipe raus, wenn wir allein dort sitzen. Wir können uns anziehen, so wie wir wollen, brauchen uns nicht um Konventionen zu kümmern. Wenn wir halbnackt rumlaufen, bekommen wir besonders viel freundliche Beachtung. Frauen sind in aller Munde. Niemand wagt mehr eine Podiumsdiskussion ohne eine Frau zu veranstalten. In jedes Gremium muß eine Frau mit rein, damit die Gleichberechtigung stimmt. Im Fernsehen gibt es Nachrichtensprecherinnen. Ein Lehrling heißt Bankkauffrau. Es ist so viel schon erreicht, wir können glücklich sein. Bald haben die Frauen die Macht, und manch armer Akademiker mit drei kleinen Kindern muß auf eine feste Stelle an der Uni verzichten, weil es die Quote so will. Frauen machen sich breit. Auf der Straße weichen sie keinem Mann mehr aus. Sie bringen ihren Töchtern bei, stur geradeaus zu gehen. Endlich die Männer einfach über den Haufen rennen. Die Frauen haben es heute leichter als je zuvor. Sie werden anerkannt. Ihre Arbeit wird geschätzt. Sie gehören mit dazu. Als Stellvertreterin sind sie brauchbar. Das sieht man an den vielen Vizepräsidentinnen.

Als erste Frau an der Spitze sind sie allerdings noch immer nicht so gefragt. Frau Adam-Schwaetzer (FDP) durfte nicht Parteivorsitzende werden, und der Berliner Frauenbeauftragten Carola von Braun (FDP) wurde schlichtweg die Kompetenz abgesprochen, als Vorsitzende für den Berliner Verein ihrer Partei tätig zu werden. Sie fiel durch, obwohl sie die einzige Kandidatin war. Vielleicht ist es ja ein Erfolg, daß sie überhaupt kandidieren durfte. Auch das haben wir inzwischen erreicht. Man läßt uns ein bißchen ran. So wie wir die Männer ein bißchen ranlassen. An den Haushalt, ans Kind. Er kann es nicht so gut, aber einmal oder zweimal die Woche, das reicht. Wie schön das Leben doch ist. Wir haben kleine Buchläden, kleine Verlage, kleine Cafes und Kneipen, und vor allem Kongresse. Dort genießen wir es, es uns ebenso unbequem zu machen wie andere auch. Doch alles hat seinen Preis. Wir besitzen zwar noch nicht die Welt, wir haben aber schon das große I. Keine Blumen für die Damen, dafür einen Kuss.

Maria Neef-Uthoff