Aufforderung zum Rücktritt

Giorgos Koskotas, Skandalfreund des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou, packt aus Unterschlagene Gelder seien in die Kassen der Pasok und der Familie Papandreou geflossen  ■  Von Niels Kadritzke

Berlin (taz) - Die griechische Öffentlichkeit steht vor der Entscheidung: Glaubt sie einem Berufsbetrüger oder ihrem Ministerpräsidenten? Nachdem Giorgos Koskotas zwei Wochen lang die Athener Presse mit handschriftlichen Notizen über sein politisch-finanzielles Zusammenspiel mit der Regierungspartei in Atem halten konnte, hat er mit einem Interview im US-Magazin 'Time‘ seinen Einsatz im Machtpoker mit der Pasok-Spitze dramatisch erhöht. Seine Aussage, unterschlagene Gelder seiner „Bank von Kreta“ seien direkt an die Pasok und die Familie Papandreou geflossen, zielt erstmals direkt auf das Zentrum der griechischen Staatsmacht und nicht mehr nur auf die obskure „politische Umgebung“ des Ministerpräsidenten. Der Geldtransfer habe wöchentlich mit Hilfe des Papandreou-Vertrauten Louvaris stattgefunden. Innerhalb von drei Jahren sei so eine Summe von umgerechnet 36 Millionen Mark transferiert worden.

Koskotas behauptet weiterhin, er sei nach seiner Inhaftierung in Boston von Papandreou unter Druck gesetzt worden, regierungsfeindliche Zeitungen aufzukaufen und so politisch zu „neutralisieren“. Ferner habe Papandreou das Büro und die Privatwohnung des Oppositionsführers Mitsotakis abhören lassen und vom griechischen Geheimdienst regelmäßig Kassetten mit abgehörten Telefonaten erhalten.

Diese unvorhergesehene direkte Konfrontation Koskotas Papandreou hat sich die Pasok selbst eingebrockt. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuß hat sie keinerlei Neigung gezeigt, ihren eigenen Anteil an dem Skandal rückhaltlos aufzudecken. In der Regierungspropaganda existiert der Fall, der die Öffentlichkeit seit Monaten erregt, bloß noch als „Skandalgerede“. So konnte sie gestern der publizistischen Offensive von Koskotas nur mit dem verzweifelten Appell entgegentreten, die Griechen mögen die Glaubwürdigkeit Papandreous doch höher einstufen als die des ehemaligen Bankiers - mit dem der Ministerpräsident freilich, wie er zugestehen mußte, noch vor Monaten lebhafte persönliche und briefliche Kontakte pflegte. Die relative Glaubwürdigkeit aller Beteiligten zu ergründen wäre aber genau die Aufgabe des parlamentarischen Untersuchungsausschusses gewesen, dessen Pasok-Mehrheit eben erst das Angebot von Koskotas ausgeschlagen hat, sich von einer Delegation aus Athen befragen zu lassen.

Über die juristische Qualität der neuesten „Enthüllungen“ läßt sich kaum etwas sagen, solange Koskotas keine beweiskräftigen Dokumente liefert. Sicher ist , daß sich die politische Szene Griechenlands unter dem Druck der erneuerten internationalen Publizität weiter polarisieren wird. Pasok-Anhänger wird die Tatsache, daß Papandreou über ein US-Medium entblößt werden soll, in ihren Phantasien über eine „CIA-Verschwörung“ bestärken. Die überwiegende Mehrheit der Wähler aber leidet unter der „nationalen Schande“ einer Regierung, die sich in einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie längst den Rücktritt verordnet hätte. So forderte linke wie rechte Presse am Dienstag einmütig Papandreou auf:„Treten Sie zurück!“