Unter Druck-betr.: "Koalieren - Tolerieren", taz vom 1./3.3.89

Betr.: „Koalieren - Tolerieren“, taz vom 1./3.3.89

Die Argumente für die Tolerierung eines SPD -Minderheitssenats hängen, wie das in toleranten Bündnissen so ist, an zwei Voraussetzungen: Erstens gestatten die Partner sich Affären mit Dritten und zweitens setzen sie sich damit unter Druck. Ergebnis: Eifersucht und Mißtrauen. Ein von der AL nur tolerierter SPD-Senat wird alles tun, um darauf nicht lange angewiesen zu sein.

Natürlich ist auch die SPD unter Druck. Sonst würde sie nicht die rot-grüne Koalition wollen, in der sie die stärkere Kraft ist. Das heißt aber für die AL, daß auch sie das Wahlergebnis nur in einer Koalition politisch umsetzen kann. Nur in der Koalition kann der stärkere Partner zu Kompromissen gebracht werden (siehe FDP), während bei einer Tolerierung ganz andere Kräfteverhältnisse maßgeblich sind. Da toleriert nämlich eine stärkere Opposition die schwächere Regierung, das heißt die CDU die SPD, und die AL ist draußen. Und zwar dort, wohin die Fundis aller Parteien sie haben wollen: in den außerparlamentarischen Toberäumen.

(...) Die fünf bis sechs Prozent „Identischen“, die sowieso AL wählen, sind die Klientel der ideologisch besetzten Parteigremien. Ihre Stärke in den BVVs und im Abgeordnetenhaus verdankt die AL jedoch den anderen fünf bis sechs Prozent, die jetzt erwarten, daß die AL die besten Leute in den rot-grünen Senat schickt, die sie finden kann.

Hermann Pfütze, Berlin 38