Muß es ein eigenes Kind sein?

■ Ein Vortrag von Dagmar Zöller: Lesben sollten ihren Wunsch nach einem Leben mit Kindern nicht mit Hilfe der Reproduktionstechniken realisieren

Für Dagmar Zöller vom Feministischen Frauengesundheitszentrum Berlin, heißt eine Entscheidung für lesbisches Leben auch - unter anderem - sich zu entscheiden, keine Kinder zu gebären. Sie fordert Lesben vielmehr auf, ihren Wunsch nach einem Leben mit Kindern anders, nicht auf dem traditionellen-individuellen Weg zu verwirklichen, beispielsweise durch den mühevollen Einsatz für Veränderungen im Adoptions-und Sorgerecht.

„Muß es ein eigenes Kind sein?“ beziehungsweise „welcher Mittel dürfen und wollen wir uns bedienen, um den Wunsch nach Kindern zu realisieren?“ Das waren die zentralen Fragen ihres ausführlichen und gut fundierten Vortrags, die auch die anschließende Diskussion anheizten.

Abgesehen von den vielfältigen Argumenten, mit denen sie den Kinderwunsch als psychologisches Phänomen überhaupt hinterfragte, sieht Dagmar Zöller in der künstlichen Befruchtung, zumindest unter den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen, keine positive Utopie für lesbi

sches Leben. Schwangerschaft ohne heterosexuelle Kontakte und dann noch die Geburt der ersehnten Tochter - eine für manche Lesbe sehr verführerische Vorstellung.

Dagmar Zöller setzte dagegen erschreckende Detailinformationen über die augenblicklichen

Praktiken. In US-amerikanischen Samenbanken werden Frauen nach einem Auswahlmodus behandelt - sie sollen zum Beispiel möglichst verheiratet, nicht behindert, weiß sein und der Mittelschicht angehören.

Auch das Sperma bzw. die Samenlieferanten werden einer

„Qualitätskontrolle“ unterworfen - Alkoholismus, Drogensucht, Erbkrankheiten werden ausgeschlossen, das „richtige“ Geschlecht nach Möglichkeit vorgegeben (70 bis 75 Prozent der Geburten bei künstlicher Befruchtung sind Jungen!).

Auch wenn die Technik in Händen von Frauen liegt, wird sich der Selektionsmöglichkeiten bedient: die Samenbank vom Feministischen Gesundheitszentrum OakLand z.B. akzeptiert Wünsche der Kundinnen nach „Qualität“ des Spermas, beliefert Leihmütteragenturen.

Die Überprüfung der Spermaqualität schließt letztendlich Entscheidungen über wertes und unwertes Leben mit ein. Wenn Lesben sich an dieser unheimlichen Politik der Auslese nicht beteiligen wollen, bleibt ihnen allenfalls die Möglichkeit einer Selbstinsemination ohne Zuhilfenahme einer medizinischen Institution - und unter bewußtem Inkaufnehmen aller Unwägbarkeiten, die eben mit jeder Entstehung menschlichen Lebens verbunden sind.

Andrea Schweers