Nicaragua läßt 1.900 Somozisten frei

■ Das Parlament in Managua beschließt die Freilassung beinahe aller ehemaligen Angehörigen der Nationalgarde der gestürzten Diktatur / Offizielle Zeremonie am kommenden Sonntag

Managua (wps/taz) - Am kommenden Sonntag werden in Nicaragua rund 1.900 Angehörige der Nationalgarde der 1979 gestürzten Diktatur Somozas auf freien Fuß gesetzt. Einen entsprechenden Beschluß faßte am Dienstag das Parlament in Managua nach knapp fünfstündiger Debatte mit nur vier Gegenstimmen. Nicaragua hatte schon vor geraumer Zeit angekündigt, sämtliche Nationalgardisten freizulassen - mit Ausnahme einiger weniger, denen besonders grausame Verbrechen zur Last gelegt werden. Gegensätzliche Meldungen liegen darüber vor, ob die letzten 39 Nationalgardisten am Sonntag ebenfalls freikommen, die eine Parlamentskommission

-nach den Kriterien der Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) - in diese Kategorie besonders grausamer Verbrecher eingereiht hat. Von der Amnestie ausgeschlossen bleiben zunächst etwa 2.500 inhaftierte Contras. Doch die Regierung kündigte an, auch sie freizulassen, sobald die Contra die Waffen niederlege.

Die meisten der Nationalgardisten, die am Wochenende im Rahmen einer offiziellen Zeremonie freikommen sollen, haben fast zehn Jahre Gefängnis hinter sich. Viele wurden zur Maximalstrafe von 30 Jahren Haft verurteilt. Ihre Freilassung stößt bei der sandinistischen Basis und auch bei vielen Nicaraguanern, die unter der Diktatur Familienangehörige verloren haben, auf Protest. Im Februar hatte Präsident Ortega die Wogen der Aufregung zu glätten versucht. „Unsere Herzen wehren sich und sagen Nein (zur Freilassung)“, sagte er, „aber die Vernunft gebietet uns, Ja zu sagen.“

Allein in den zehn Monaten zwischen dem sandinistischen Aufstand im September 1978 und dem Sieg der Revolution im Juli 1979 fielen nach Angaben des Roten Kreuzes an die 10.000 Nicaraguaner der äußerst brutalen Repression der Nationalgarde des Diktators zum Opfer. 6.310 Angehörige von Somozas Truppe wurden vor Gericht gestellt. 4.331 von ihnen wurden in der Regel von - inzwischen wieder abgeschafften Sondergerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt. In den Tagen des Umsturzes setzte sich auf der anderen Seite etwa die Hälfte der Nationalgardisten ins benachbarte Ausland und in die USA ab. Aus geflohenen Offizieren rekrutierte sich nahezu die gesamte Führung der Contra, deren Krieg gegen das revolutionäre Nicaragua in sieben Jahren 30.000 Tote gefordert hat.

thos