„Die Partei muß offen sein für neue Partner“

Der ehemalige Berliner FDP-Vorsitzende und jetzige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Lüder zur Lage der Koalition  ■ I N T E R V I E W

taz:In Berlin sind Sie aus dem Abgeordnetenhaus rausgeflogen - auch aus Gründen, die in der Bonner Koalition liegen. Jetzt träumt der Bundeskanzler gar vom gemeinsamen pfleglichen Untergang. Wollen Sie da mitmachen?

Lüder: Da werden wir nicht mitmachen. Ich betrachte den Freudschen Fehler des Bundeskanzlers eher als Ausrufezeichen, daß wir aufpassen sollen, nicht mit unterzugehen.

Erinnert Sie die Situation nicht doch ein ganz klein bißchen an die Zeit vor der Wende 1982?

Geschichte wiederholt sich nicht. 1982 gab es politisch kontroverse Diskussionen beim damaligen Koalitionspartner SPD. Heute haben wir es ja gerade gesehen, daß Kohl die Koalitionspartner beim Streit um die Familienpolitik schlicht übergangen hat.

Die Geschichte um den Kassensturz ist doch aber nur ein Teil. Die Kontroversen liegen doch auf dem Tisch, etwa die Frage nach der Reaktion auf die rechten Wahlerfolge.

Gerade weil es ein Teil ist, ist es anders als damals. Damals gab es den Grundsatzunterschied.

Die Diskussion in der Union darüber, wie etwa die „Republikaner“ überflüssig gemacht werden könnten, deutet doch grundsätzliche Differenzen innerhalb der CDU, aber vor allem auch zu Ihren Grundsätzen an.

Man kann die „Republikaner“ nicht dadurch überflüssig machen, daß man ihren Parolen nachjagt.

Aber gerade das wollen doch einige in der CDU, und sie bekommen jetzt Oberwasser.

Dieser Weg ist falsch, den können wir nicht mitmachen, da gibt es keine Koalitionskompromisse.

Was denken Sie als Gegner der 82er Wende eigentlich über den Vorstoß des nordrhein-westfälischen FDP -Fraktionsvorsitzenden, nach der nächsten Landtagswahl auch eine Koalition mit der SPD zu überlegen?

Ich halte den Weg Rohdes für gut, deutlich zu machen, daß die Partei offen sein muß für neue Partner.

Dafür ist er doch aber vom Parteivorsitzenden Lambsdorff zurückgepfiffen worden.

Ich habe da schon schrillere Pfeifentöne in der Partei gehört. Lambsdorff hat erklärt, daß sich die Frage im Bundesbereich nicht stellt.

Finden Sie es nicht auch schade, daß es sich Ihre Partei mit dem jetzt gewählten Vorsitzenden unnötig schwer gemacht hat, den Koalitionspartner irgendwann einmal zu wechseln? Auf bundespolitischer Ebene wären die Gedanken Rohdes nicht so leicht umzusetzen.

Für die Bundespartei wird sich diese Frage erst im nächsten Jahr auf dem Parteitag stellen. Zur Zeit befinden wir uns in einer Koalition, und ich sehe nicht, warum wir von unserer ursprünglichen Wahlaussage abgehen sollten.

Wenn sich die Frage nächstes Jahr im Bund stellt, würden Sie sich dann wünschen, daß sich Rohdes Gedanken auch bundesweit durchsetzen würden.

Das halte ich für denkbar. Aber jetzt müssen wir erstmal abwarten, wie sich die Koalitionsarbeit und die politische Landschaft in den nächsten Wochen entwickelt. Ein Beispiel: Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages hält jetzt eine rot-grüne Koalition auf Landesebene für tragbar. Was wäre passiert, wenn er vor sechs Wochen dergleichen geäußert hätte? Die politische Landschaft verändert sich manchmal ganz rasant.

Interview: Ulli Kulke