Hungerstreik-Demonstration

5.000 fordern in Hamburg Zusammenlegung der RAF-Hungerstreikenden / Debatte im Bundestag / Neue Berliner Justizsenatorin denkt an Zusammenlegung  ■  Von G.Nowakowski / W.Gast

Hamburg/Bonn/Berlin (taz) - Tausende demonstrierten gestern in Hamburg für die Forderungen nach Zusammenlegung der Hungerstreikenden aus der RAF. Aufgerufen hatten unter anderem die GAL und die DKP. Der Demonstrationszug führte an den Hamburger Justizgebäuden und dem Untersuchungsknast vorbei. Die GAL stellte sich als „Objektschutz“ vor die Gebäude. So war es mit der Polizei vereinbart, um zu verhindern, daß Steine fliegen.

Am Vormittag hatten sich im Bundestag bei der Debatte zum RAF-Hungerstreik unversöhnliche Fronten gezeigt. In der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde appellierte Antje Vollmer an staatliche Stellen, endlich zu handeln, damit es nicht zu Toten komme. Der Staat sitze „am längeren Hebel“ und vergebe sich nichts, wenn er den Gefangenen einen „humanen Strafvollzug“ gewähre. Isolation sei „unmenschlich“, sagte Frau Vollmer und forderte, die „tödliche Dramaturgie“ aufzubrechen.

„Wir sind kurz vor der Wiederauflage einer heillosen gesellschaftlichen Polarisierung, die wir schon einmal hatten“, warnte Frau Vollmer und verglich die Situation mit „zwei Gespensterzügen“, die aufeinander zurasen: „Alle Seiten haben nur noch unheimlich wenig Zeit.“ Sie verwahrte sich gegen Versuche von Hungerstreik -UnterstützerInnengruppen, die Grünen zu instrumentalisieren. Gleichzeitig rief sie auch die Gefangenen auf, „sich von niemanden benutzen zu lassen, sondern bei den eigenen Überlebensinteressen zu bleiben“. Die UnterstützerInnen wurden aufgefordert, die „Gefangenen nicht in eine unrealistische Hoffnung zu treiben“.

Von der Regierungskoalition ernteten die Grünen heftige Ablehnung. Die FDP-Fraktion wollte sich an der Debatte überhaupt nicht beteiligen, und Justizminister Engelhard (FDP) erklärte, im Interesse einer Lösung der schwierigen Situation ziehe er der öffentlichen Auseinandersetzung die „zähe, beharrliche Kleinarbeit im stillen vor“. Er wertete den Hungerstreik als „schweren Rückschlag“ für Bemühungen der letzten zwei Jahre, mit Gefangenen in einen Dialog zu treten.

Die „Kapitulation des Rechtsstaats“, machte der CDU -Abgeordnete Laufs als Ziel der Gefangenenaus und überhäufte, wie seine Kollegen Seesing und Geis (CSU), die Grünen mit Beschuldigungen. Sie seien Teil der Öffentlichkeitskampagne der RAF-Gefangenen und bestärkten den Durchhaltewillen der Hungernden. Isolationshaft gebe es nicht, erklärte Seesing mit dem Hinweis, schließlich sei eine Zelle mit neun Quadratmetern Fläche ebenso groß wie ein Abgeordnetenzimmer. Fortsetzung auf Seite 2

Der SPD-Abgeordnete Schmude wies auf die Verantwortung der Länder für die Haftbedingungen hin. Die unübersichtlichen Zuständigkeit erlaubten es den Verantwort

lichen, „in Deckung zu bleiben“. Justizminister Engelhard dürfe dieses „Verstecken nicht ermutigen und ermuntern“, sagte Schmude. „Drückerbergerei und Ausschweigen ist in dieser Situation unvertretbar“, vielmehr müsse der Staat „gesprächs- und handlungsfähig beiben“. Die SPD-Abgeordneten Schmude, Frau Däubler-Gmelin und de With wiesen zugleich den Vorwurf zurück, es gebe Isolationshaft, und lehnten auch eine Zusammenlegung der Gefangenen ab. Einen Sonderstatus für politische Gefangene könne es nicht geben, erklärte Frau Däubler-Gmelin.

Die frisch gekürte Justizsenatorin im Berliner Senat, Jutta Limbach (SPD), kündigte gestern an, sie wolle mit ihrem Kieler Amtskollegen über eine Zusammenlegung der in Berlin inhaftierten RAF-Mitglieder mit denen Schleswig-Holsteins

verhandeln. In Berlin sind Gabriele Rollnik (seit dem 1.März im Hungerstreik) und Angelika Goder inhaftiert. Beide sind frühere Mitglieder der „Bewegung 2.Juni“ und zählen heute zur RAF. In einem Interview nannte die Justizsenatorin die Durchsicht der Akten der beiden Frauen „eine meiner ersten Amtshandlungen“. Mit der Begnadigung des früheren RAF -Mitgliedes Angelika Speitel habe Bundespräsident Weizsäcker ein Signal gesetzt, „das uns zwingt, weiter nachzudenken“.

Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 1988 für Baden-Württemberg behauptete gestern Innenminister Dietmar Schlee (CDU) in Stuttgart, den Behörden lägen „zuverlässige Erkenntnisse“ vor, daß „gegenwärtig Vorbereitungen für neue Anschläge laufen“. In der siebenseitigen Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes

heißt es, „diese Szene“ sei im Vergleich zum Vorjahr deutlich aggressiver und teilweise gewalttätig in Erscheinung getreten.