K O M M E N T A R Unter uns Täterinnen

■ Der andere Blick wird wieder anders

Da ist in aller Stille etwas ziemlich Aufregendes passiert auf dieser Frauenwoche. Etliche Frauen haben versucht, die Perspektive zu wechseln, haben versucht, auch im Fall der Gen- und Reproduktionstechnologie sich selbst nicht mehr als Opfer zu sehen. Nicht als Produzentinnen, sondern als Nachfragerinnen, als Markt. Als einen Markt, der nicht nur aus den „anderen“ Frauen besteht. Im Zentrum dieser Herangehensweise stand deshalb die Diskussion, inwieweit Frauen mit ihrer Bereitschaft, Föten mit krankheitsindizierenden Chromosomen-Anomalien ertesten und abtreiben zu lassen, eine Forschung und eine medizinische Praxis vorantreiben, die als krank definiertes Leben schon vor der Geburt beendbar machen, eine neue „sanfte“ Eugenik.

Wählt man die Perspektive so, dann ist vieles nicht mehr möglich: nicht mehr die Sicht der Technik als nur an fremden Interessen Orientiertes und gewaltsam über die Frauen Gebrachtes. Der Mythos Männer-Technik-Apokalypse zerfällt dann. Die neue Sicht kostet den Zorn auf „die anderen“, die Stärkung durch das einigende Band des Gemeinsam-gegen-Den -Untergang-Kämpfens, die Einigkeit der Bewegung. „Wir“ werden, am deutlichsten machte das Dorothea Brockmann, viele Frauen nicht hindern können, von diesen Technologien Gebrauch zu machen. „Wir“ müssen lernen, damit umzugehen. Was, wenn es glücken sollte, heißen wird, die jetzigen Grenzen des „Wir“ aufzugeben.

Der Gewinn bei soviel Kosten? Mehr Handlungschancen, antworteten einige Frauen. Dahinter steht eine kleine Psychophilosophie, wonach wir im Bekämpfen unserer innigsten äußeren Feinde, ungeliebte aber virulente Anteile unseres Selbst bekämpfen. Gesellungen, die ohne dies auskommen, sind Utopie. Probieren wir sie aus?

Uta Stolle