Sozi-Geist aus der Maschine

■ „Radio 107“ in Hamburg sendet wieder: mit SPD-Geld

Hamburg hat seine zweite Privatradio-Wiederauferstehung: Der Kommerzsender „Radio 107“, der im Februar dieses Jahres aus Geldnot seinen Betrieb eingestellt hatte, wird voraussichtlich ab 1.Mai wieder auf Sendung gehen.

Retter des Senders und neuer mehrheitlicher Kapitalgeber ist die Bonner „LR Lokal- und Regionalfunk“, eine bundesweit agierende Privatfunkholding mit Kapitalbeteiligung aus dem SPD-Unternehmensbereich. Die Holding, die zu 90 Prozent der SPD-eigenen Firma „Auerdruck“ gehört, übernimmt die Anteile der Medienkonzerne Holtzbrink und RTL. Die hatten durch ihren Ausstieg die „107„-Pleite provoziert. Nach Auskunft des neuen Geschäftsführers von „107“ Ulrich Hürter wird die Sendelizenz bei den drei kleinen Anteilseignern, den Hamburger Unternehmern Broschek, Mertens und Wegner (jeweils 16,66 Prozent), verbleiben.

Ob die neuen Betreiber auf 106,8 Megahertz demnächst mehr als nur Rauschen verbreiten dürfen, darüber entscheidet die Hamburger Anstalt für Neue Medien (HAM), zuständig für Lizenzvergabe und Privatfunkaufsicht, am kommenden Mittwoch.

Die neue Betriebsgesellschaft hat derweil allen früheren MitarbeiterInnen von „Radio 107“ die Wiederanstellung angeboten. Abgelöst werden soll allerdings die bisherige Chefredakteurin Catarina Felixmüller. Und zwar durch Werner Knobbe, der bisher Studioleiter der „LR„-eigenen Hörfunkagentur „Radiodienst Bonn“ war. Knobbe und Geschäftsführer Hürter (früher mal Juso-Finanzchef) wollen trotz enger SPD-Bande nach übereinstimmender Auskunft „keinen Parteifunk machen“. Für ihr „anspruchsvolles journalistisches Vollprogramm mit gängiger Musikfarbe“ plus „mehr Lokalsport“ soll die arg geschrumpfte Redakteursschar von bisher neun Festangestellten verdoppelt werden. Das Geld für die etwa vier bis fünf Millionen Mark Betriebskosten pro Jahr will Geschäftsführer Hürter auf dem von „107“ bislang kaum beackerten regionalen Werbemarkt holen. Und, so lautet seine optimistische Prognose, nach spätestens zwei Jahren soll der Sender dann endlich mit mehr Hörern und nationalen Werbekunden drei Millionen Mark Gewinn im Jahr machen.

„So weit reicht unsere Finanzdecke“, meint Hürter. Die wird „107“ auch bitter nötig haben, denn bisher mangelte es dem Sender dank ständiger Querelen unter den Betreibern an schlüssigen Konzepten für Programm, Marketing und Eigenwerbung. Exchefredakteurin Felixmüller: „Konzepte gab es schlicht nicht.“

Auf dem Hamburger Werbemarkt sah „Radio 107“ alt aus. Denn den haben die drei im Norden dominierenden landesweiten Verlegersender „RSH“ (Schleswig-Holstein), „ffn“ (Niedersachsen) und der Springer-Sender „Radio Hamburg“ unter sich aufgeteilt. Sie betreiben zusammen die sogenannte „Funk-Kombi-Nord“, einen rechtlich umstrittenen Werbe-Pool.

Die Entscheidung der Hamburger „107„-Eigner für die SPD -Holding fiel knapp vor Widerruf der Sendelizenz durch die HAM. Neben den Sozis war auch der Berliner Beton-Radio -Macher Schamoni im Rennen, der schon des öfteren seine Fühler nach Hamburg ausgestreckt hatte.

Doch für die Lizenzinhaber, alle echt hanseatische Kaufleute, mußte der knallharte Flachfunker von der Spree angesichts schon bestehender Beteiligungen der „LR“ an vier süddeutschen Privatradios und eines Zwei-Millionen-Kredits des DGB an die SPD-Holding die schlechtere Wahl sein.

Die HAM steht nun praktisch vor vollendeten Tatsachen, auch wenn HAM-Vize Lothar Jene „eingehende Prüfungen“ ankündigt. Denn ein weiteres Loch im Hamburger Äther kann sich die Landesmedienanstalt nicht leisten, wenn ihr Privatfunkkonzept (zwei rein kommerzielle und zwei gemeinnützige Sender auf einem Markt) nicht dauerhaft ad absurdum geführt werden soll. Schließlich scheiterte im letzten Jahr bereits der gemeinnützige Sender „Radio Korah“, der ab September als Low-Budget-Radio wieder senden soll (ein Berliner Immobilien-Verwalter spendete vier Millionen für zwei Jahre). Auch der zweite Gemeinnutz-Sender, „OK -Radio“, schreibt trotz Einspringens eines gutmütigen Versandhauserbens noch keine schwarzen Zahlen. Beide Sender funktionieren nach dem sogenannten „Zwei-Säulen-Modell“, einer rundfunkpolitischen Erfindung der SPD. Anbieter- und Betreibergesellschaft sollen bei diesem Modell strikt getrennt sein. Programm auf der einen, Geld auf der anderen Säule. Doch damit die von Stadtteil- und Umweltinitiativen mit Programm versorgten Radios überhaupt laufen, drückte die HAM bisher bei der vorgesehenen Trennung beide Augen bis zum Anschlag zu. Denn die als „Feigenblätter“ des verlegerfreundlichen SPD-Mediengesetzes erfundenen gemeinnützigen Sender sollen das schlechte sozialdemokratische Gewissen weiter lindern.

Auch HAM-Chef Helmut Haeckel schlägt das schlechte Gewissen. Besonders dann, wenn er zum Beispiel auf Podiumsdiskussionen daran erinnert wird, daß seine Anstalt ausgerechnet dem den Hamburger Pressemarkt monopolisierenden Springer die erste Privatfunklizenz gab. Und damit das erst mehr als sechs Monate später startende „Radio 107“ zum ewigen Zweiten stempelte. Um so leichter wird es der HAM jetzt fallen, das Ätherloch mit Hilfe der SPD-Holding „LR“ zu stopfen. Zumindest für zwei Jahre.

Hans-Hermann Kotte