Einer - keiner - hunderttausend

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(SAT1, Di., 21.März, 23.50 Uhr) Eine mondgesichtige Althippiefrau steht in einem schmuddeligen Vorgarten und hat offenkundig Probleme, den Titel der Sendung aufzusagen. Helfen wir ihr: Einer - keiner - hunderttausend heißt das Kulturmagazin, das sie für Kanal4 auf SAT1 ansagen darf, und verdient hat es eine solche Anmoderation durchaus nicht. Kanal4 bestückt, nachdem RTL plus den Kooperationsvertrag aufgekündigt hatte (taz berichtete), die laut nordrhein -westfälischem Mediengesetz freizuhaltenden „Programmfenster“ auch mit erfreulichen Überraschungen. Einer - keiner - hunderttausend wird von der „Arbeitsgemeinschaft Filmwerkstätten und Filmhäuser NRW“ fabriziert und präsentiert jeweils 30 Minuten lang „nicht -standardisiertes Bildmaterial“ (Ankündiung). Der sattsam bekannten Form, Aussagen und Bilder in ein „Thema“ zu verwandeln und von Moderatorengesäusel umspülen zu lassen, ziehen die Magazinmacher die unkommentierte Verknüpfung von Bildern nach dem Baukastenprinzip vor.

Die zweite Folge mit dem Titel Katastrophen und Wunder zeigte, wie das geht: Der Münsteraner Filmemacher Robert Bramkamp wartet mit einem netten Mix auf. Ausgegraben wurde Oberharzer Erzbergbau um 1920, ein Stummfilm aus dem Archiv, der in den Zeiten der Inflation nicht fertiggestellt werden konnte. Aus dem Bergbau führt ein harter Schnitt ins Bundesumweltministerium: Die Bardin Joanna trällert zum Steinerweichen, die Kamera streift mit boshaft-raffinierten Schwenks dümmlich-andächtige Mienen, hinter denen sich Nullsätze zum Thema „Kunst und Umwelt“ ankündigen. Katastrophen ganz anderer Art folgen: groteske Bilder von einer Übung des Technischen Hilfswerks und von einer Bielefelder Performance über das „Wunder von Lengede“. Ein Highlight der Sendung ist ohne Zweifel der (selbst -)ironische Kurzfilm des Berliner Super-Acht-Filmers Werner Senft: Die schlimmste Zeit handelt von einem Motorradfahrer, der den eigenen Sturz in den Abgrund kommentiert. Aus den Fluten taucht er wieder auf und muß sich sagen lassen, er sei „ein Schmalfilmamateur mit einem Thema: Ich und meine Leiden“.

Einer - keiner - hunderttausend ist eine gescheite Attacke auf den Magazinjournalismus. Es wird die Fernsehwelt nicht aus den Angeln heben, einfallsreich, schräg und entwicklungsfähig ist es nichtsdestoweniger. Auf die vier Folgen, die für dieses Jahr noch geplant sind, darf man gespannt sein.

Peter Körte