Friedrich Dürrenmatt / Austellung in Wien: "Rudolf - Ein Leben im Schatten von Mayerling"

Friedrich Dürrenmatt, einer der beiden großen, alten Männer der Schweizer Literatur, hat die Eidgenossenschaft ganz schön in Zugzwang gebracht. Der 68jährige Schriftsteller und Maler will, wie er Ende vorigen Jahres überraschend ankündigte, seinen gesamten literarischen Nachlaß der Schweiz schenken. Doch das Land hat noch keine angemessene Bleibe für die bekannten, mit der Hand geschriebenen Werke. Die Zwickmühle in die der in Neuenburg lebende Dürrenmatt die Schweiz gebracht hat, sieht nicht nur der Leiter des Bundesamtes für Kulturpflege Alfred Defago, als einmalige Chance an. So ist der Anstoß gegeben, die kulturpolitisch längst überfällige Heimstatt für die traditionsreiche viersprachige Literatur der Eidgenossen durchzuboxen. Sie soll innerhalb der bestehenden Landesbibliothek in Bern Nachlässe aufnehmen und wissenschaftliche Arbeit ermöglichen. Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach dient Defago nun als Vorbild für das eidgenössische Ziel. Doch so bald wird sich der Traum des Kulturpflegers nicht erfüllen. Die Landesbibliothek in Bern leidet seit Jahren unter Engpässen an allen Ecken und Enden: Es fehlt an Personal, Geld und an Platz.

„Rudolf - Ein Leben im Schatten von Mayerling“ heißt eine Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, die bis zum 4. März nächsten Jahres besucht werden kann (außer Montag und Dienstag). Sie wurde aufgebaut in der Hermes -Villa am Rande von Wien, die für die Mutter des Kronprinzen Rudolf, Kaiserin Elisabeth, erbaut worden ist. In 21 Räumen wird das Leben des Kronprinzen dargestellt, der 31jährig sich und der jungen Baronesse Mary Vetsera das Leben nahm. Diese Tragödie von Mayerling hatte am 30. Januar vor hundert Jahren Österreich-Ungarn tief erschüttert. Bei der Ausstellung wurden auch technisch neue Wege beschritten. Bemerkenswert ist etwa das „Ballgeflüster“, das auf den Besucher akustisch eindringt und ihm zeitgenössische Aussagen über den Kronprinzen vermittelt. Die Erziehung des Kronprinzen, auf die die Mutter entscheidenden Einfluß nahm, seine vielseitigen Begabungen und Interessen, seine Inanspruchnahme Verpflichtungen und Liebhabereien - all das wird genau dargestellt. Zeichnungen aus der Kinderzeit des Erzherzogs, eigenhändig geschriebene Texte für Heurigen -Lieder und politische Pamphlete finden sich im umfangreichen Katalog.