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Der Pennertraum von der ewigen Treue

■ „Wolfsmilch“ der neue Hollywood-Film von dem Argentinier Hector Babenco Pennerdrama um die Erinnerung an die glückliche Zeit als Familienvater

Daß Hollywood ein Ort ist, an dem man versteht, Geschichten zu erzählen, ist unbestritten. Hollywood ist US-Amerika, geschwätzig, reich, glitzernd, antiseptisch und zum Kotzen oberflächlich. So kommt es, daß die überwiegende Mehrzahl von Hollywood-Filmen bei aller filmischen Erzählkunst zur opulenten Bebilderung abgrundtief dümmlicher Rührstücke gerinnt.

Hector Babenco ist einer jener aufstrebenden ausländischen Regisseure, die hier ihr Talent zur Verfertigung brillanter Schnulzen auf die alten amerikanischen Werte mißbrauchen. Sein neuer Film „Wolfsmilch“ ist eine solche.

In ruhigen, ausgewogenen Bildern wird die Geschichte eines Mannes, Francis (Jack Nicholson) erzählt, der, nachdem er einst seinen frischgeborenen Sohn zu Tode hat fallen lassen, aus seinem bürgerlichen Leben flieht, um fortan als „Penner“ durch das Yankee-Land der 30er Jahre zu ziehen. Tramp-Leben, romantisch, wie die es sich vorstellen, die wohl um reale Nöte der Penner wie Hunger, Kälte, Alkohol oder knüppelbewehrte Überfälle durch amerikanische Spießerbanden wissen, den warmen Kamin jedoch noch nie haben

missen müssen.

Francis kehrt nach 22 Jahren mit seiner Pennerlebensgefährtin Helen (Meryl Streep) und seinem Pennerfreund Rudy (Tom Waits) in die Stadt seines bürgerlichen Lebens zurück und die Schatten von damals drücken ihm als Halluzinationen von heute mächtig

aufs Gemüt. Schließlich traut er sich, die einst verlassene Ehefrau Annie (Carroll Phelan) aufzusuchen, und wie könnte es anders sein, schließlich sitzen wir in einem amerikanischen Film, hier findet er Rasierschaum, Badewanne

-das Glück. Familie eben: Annie, die ihn gern dabehalten möchte, Peggy, die Tochter, die noch immer rechtschaffen sauer ist auf ihn, sich aber doch erweichen läßt, der Enkel, der endlich seinen berühmten Baseballopa kennenlernen darf ...

Zwei Probleme stellen sich derweil noch: 1. Darf dieser Film ein Happy-End haben, dürfen sie sich kriegen, so wie früher im Fernsehen immer? 2. Was machen wir mit Helen und Rudy, für die sein Glück wirklich keine Lösung wäre?

Die beiden müssen weg, raus aus dem Film, man muß ihnen eine Brücke bauen, einen guten Abgang, denn verlassen darf Francis sie nicht einfach und schnöde, schon wegen der Moral. Tot, fall um - das war immer so, wenn in Filmen ein/e Gute/r im Weg stand. Und zum Happy-End sei verraten, daß Babenco ein Argentinier ist, der in den USA gedreht hat. ste

Filmstudio tägl. um 17.00, 20.00, Fr./Sa./So. 22.45

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