K O M M E N T A R Fahndungslüstlinge

■ Wenn die Polizei um Bürgerhilfe bittet

Was ist ein Rechtsstaat? Mindestens doch wohl ein Staat, in dem jeder, der es mit Polizei oder Gerichten zu tun bekommt, als allererstes über seine Rechte aufgeklärt wird, z.B. darüber, ob er als Zeuge oder als Beschuldigter vernommen wird, als Unschuldiger oder als mutmaßlicher Täter.

Für die Bremer Polizei scheinen rechtsstaatliche Prinzipien allerdings nur eingeschränkt zu gelten und solange sie Fahndungserfolgen nicht im Wege stehen. Auf der Suche nach einem Mörder bat sie öffentlich um Zeugen-Hilfe und suchte klammheimlich Tatverdächtige. Wer ihre Bitte ahnungslos ernst nahm, sah sich selbst plötzlich einem Mordverdacht ausgesetzt. Der freiwillige Zeuge wurde unfreiwillig zum Verdächtigen.

Für den Betroffenen, der plötzlich sein Unschuld nachweisen muß, ein zumindest peinliches Verfahren. Er muß damit rechnen, daß die Polizei Freunde, Freundin, Ehefrau zu seinen mutmaßlichen Prostituierten-Kontakten befragt. Für den Rechtsstaat ein tödliches Verfahren. Insbesondere dann, wenn die Bremer Polizeiführung an der ganzen Angelegenheit nichts weiter stört als „die Polemik der Presse“.

Klaus Schloesser