piwik no script img

K O M M E N T A R Fahndungslüstlinge

■ Wenn die Polizei um Bürgerhilfe bittet

Was ist ein Rechtsstaat? Mindestens doch wohl ein Staat, in dem jeder, der es mit Polizei oder Gerichten zu tun bekommt, als allererstes über seine Rechte aufgeklärt wird, z.B. darüber, ob er als Zeuge oder als Beschuldigter vernommen wird, als Unschuldiger oder als mutmaßlicher Täter.

Für die Bremer Polizei scheinen rechtsstaatliche Prinzipien allerdings nur eingeschränkt zu gelten und solange sie Fahndungserfolgen nicht im Wege stehen. Auf der Suche nach einem Mörder bat sie öffentlich um Zeugen-Hilfe und suchte klammheimlich Tatverdächtige. Wer ihre Bitte ahnungslos ernst nahm, sah sich selbst plötzlich einem Mordverdacht ausgesetzt. Der freiwillige Zeuge wurde unfreiwillig zum Verdächtigen.

Für den Betroffenen, der plötzlich sein Unschuld nachweisen muß, ein zumindest peinliches Verfahren. Er muß damit rechnen, daß die Polizei Freunde, Freundin, Ehefrau zu seinen mutmaßlichen Prostituierten-Kontakten befragt. Für den Rechtsstaat ein tödliches Verfahren. Insbesondere dann, wenn die Bremer Polizeiführung an der ganzen Angelegenheit nichts weiter stört als „die Polemik der Presse“.

Klaus Schloesser

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen