Der nötige Ernst

■ Kurzer Traktat über den Humor im deutschen Film am Beispiel von Dani Levys „RobbyKallePaul“

Männer, Die Venusfalle, Singles und jetzt RobbyKallePaul - Beziehungskomödien in Deutschland. Die Situationen - Verlassenheit, Wechselspiele, Liebeskummer, stochernde Bewältigungs-, scheiternde Annäherungsversuche - gleichen sich. Sie sind die Bausteine, aus denen diese Beziehungskisten gezimmert sind. Es kommt darauf an, wie. Deshalb läßt sich aus Nacherzählungen nicht erschließen, warum im einen Film ein paar Schatten von Wahrheit und im anderen nur hämische Zerrbilder über die Leinwand huschen.

Geht ein Yuppie zum Psychologen: So etwa funktioniert der Witz in Ecki Ziedrichs Singles. Die Schauspieler sind austauschbar, sie müssen sich nur einsetzen lassen, um vorgedachten, wie aus empirischen Studien gewonnenen sozialen Typen die Charaktermaske aufzusetzen. Selbstverständlich besteht der Psychologe nur aus Ticks und seinem Fachjargon. Er ist zusammengesetzt aus Vorurteilen über diesen Beruf, eine Konstruktion und nichts weiter, eine Witzfigur, keine Person. Ähnlich verhält es sich mit Sonja Kirchberger in der Venusfalle. Als Schauspielerin zählt sie schier nichts, wichtig ist nur, daß sie die nötigen Attribute mitbringt, um als die Venusfalle Ackerens vulgäre Vorstellung vom ewig Weiblichen zu verkörpern.

Kurz: Die Filme, die seit ein paar Jahren hektisch zu beweisen versuchen, daß es möglich sei, in Deutschland Komödien zu machen - ein Beweis, der seit Lubitschs Weggang nach wie vor aussteht - bestätigen nur die Klischees, gegen die sie antreten, sie sind theorielastig, thesenhaft, unsinnlich und sehr, sehr dumpf.

Es ist schon ein Unterschied, ob ein Film Männer, Singles, Die Venusfalle heißt oder eben RobbyKallePaul. Robby, Kalle und Paul sind nicht zunächst Männer oder Singles, sondern Robby, Kalle und Paul, die zwar vielleicht Männerprobleme haben, aber als ganz persönliche.

RobbyKallePaul spielt ausschließlich in einer sehr bunten Berliner Wohnung, 3 Zimmer, Küche, Bad. Robby (Dani Levy), 30, Ethnologiestudent und Zen-Buddhist, kehrt nach einem halben Jahr Japan in die Wohnung zurück und muß erkennen, daß sich seine Freundin und Mitbewohnerin Henny (Anja Franke), 24, Fotografin und Berlinerin, mit Mitbewohner Kalle (Frank Beilicke), 25, Bastler und Frauenliebling, liiert hat. Es kommt zur Krise. Henny zieht aus, Paul (Josef Hoffmann), 32, entwurzelter Bayer und stellvertretender Supermarktsfilialleiter, zieht ein. Robby, Kalle und Paul haben alle drei keine Frau, auch Kalle nicht, denn er macht den tragischen Fehler, sich in Henny zu verlieben, und verliert sie dadurch. Darum schließen sie einen Männerbund gegen die Fraen. Das einzige störende Element darin sind die Frauen, besonders die mysteriöse Malu (Maria Schrader), 23, Fee und Hexe. Dann ist Silvester, das wärmste seit Menschengedenken, eine Klimakatastrophe.

Der Unterschied, der sich im Titel andeutet, reicht bis tief in die Struktur und Entstehungsgeschichte des Films. Die Wohnung, in der RobbyKallePaul spielt, ist die Wohnung, in der die Darsteller tatsächlich wohnen. Der Film ist das Projekt dieser Darsteller. Es muß eine Zeit gegeben haben, wo Dani, Frank und Josef eines gemeinsam hatten keine Frau - und auf die Idee zu diesem Film kamen. Alle Schauspieler waren an der Konzeption ihrer Rollen beteiligt. Die Komik funktioniert also genau andersherum als in Männer, Singles usw. Die Schauspieler werden nicht eingesetzt, um einen im Drehbuch vorgedachten Witz nachzustellen, sondern der Witz beruht auf dem persönlichen Charme und Potential der Schauspieler, denen sich das Drehbuch anpaßt.

Auch in RobbyKallePaul gibt es ein paar Witze, die verpuffen - die Sinnsprüche wie: „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ oder: „Männer sind so penetrant“, die nicht einmal so sehr als Sprüche stören, sondern weil sie mit allzu bedeutsamer Miene in die Kamera gesagt, zu sehr als Witze hingehalten und vorgezeigt werden, als daß man noch spontan darüber lachen könnte. Fielen sie leise und nebenbei, hätten sie womöglich Wirkung.

Beiläufigkeit ist das Kriterium für die Komik und Melancholie von Witz, und RobbyKallePaul triumphiert beiläufig, nicht durch eine ideologische Beweisführung, sondern durch die episodische Erzählweise, das Spiel mit den Techniken und vor allem durch den Blick auf die Personen: Hennys wunderbarer Berliner Dialekt, der einfach da ist und nicht dazu dient, ein selbstgefälliges Lokalkolorit zu erzeugen, Kalles Seitenblicke, Pauls ein bißchen feuchte Aussprache, Robbys tieftodtraurige Art, auf dem Küchentisch die Kaffeetasse hin- und herzudrehen, die Mißverständnisse in der Annäherung zwischen Tilla (Nina Schultz) und Paul, Malus Auftritt. RobbyKallePaul begegnet dem Humor mit dem nötigen Ernst.

Thierry Chervel

RobbyKallePaul, von Dani Levy; mit Dani Levy, Frank Beilicke, Josef Hoffmann, Anja Franke, Maria Schrader, Nina Schultz; BRD/Schweiz 1988, 95 Min.