piwik no script img

„Er ist eine schwere Last losgeworden“

■ Gespräch mit Dr. Helmut Hafner, einem engen Mitarbeiter des langjährigen Bremer Bürgermeisters Hans Koschnick, über die Ehrung zum 60. Geburtstag, den Politiker Koschnick und die Bürde seines - 1985 niedergelegten - Amts

Du kennst Koschnick als sein Mitarbeiter aus der Nähe - hat Dich überrascht, daß er diesen Empfang zu seinem 60. Geburtstag eigentlich nicht wollte?

Helmut Hafner: Das hat mich nicht überrascht. Koschnick liebt solches nicht, aber es gibt bürgerliche Plichten.

Wie ist er früher im Amt mit solchen Pflichten umgegangen?

Er hat sie auf sich genommen. Er hat Eigenschaften, diese schrecklichen Belanglosigkeiten zu vermeiden. Sein Humor ist ja nicht nur ein angeborenes Talent, sondern auch ein Schutz. Koschnick ist ist ein schlechter Rollenspie

ler. Dieses Amt, sich täglich mit vielen Menschen zu treffen, von denen jeder was will, diese ständigen Rollenspiele - das ist schwer auszuhalten. Koschnick war ein Meister darin, nicht in diesen Rollen zu bleiben.

Mit diesem Gedicht hat er sich als politischer Pensionär dargestellt, wenn auch ironisch, der den Weg für Jüngere bereitet. Ich hatte vor vier Jahren, als er vom Amt des Bürgermeisters zurücktrat, den Eindruck, daß er noch etwas will...

Den Weg für Jüngere zu bereiten ist ein schweres Amt. Da hat er viel zu tun, wenn man die politische Qualität der Nachwuchs-Politiker sich anschaut.

Er hat sich als „auslaufendes Modell“ bezeichnet...

Da ist ein Kern Wahrheit drin, in der Formulierung. Er gehört zu einer Politiker-Generation, die mehr Kanten hatte, die sind seltener geworden.

Zum anderern ist Politik aber so schnellebig, daß so ein Mann wie Koschnick immer wieder gebraucht wird. Er ist nach wie vor sehr lebendig, er ist gelassener, er ist bei weitem nicht sehr so ehrgeizig, aber er ist natürlich gefragt. Vieles von dem, was Koschnick heute macht, dringt nicht an die Öffentlichkeit.

Bei dem Empfang ist das gar nicht nicht gewürdigt worden, und das weiß auch niemand in der Öffentlichkeit so genau, was Koschnick derzeit macht.

Wie willst Du vor mehr als hundert Leuten reden über etwas, was er selbst besser weiß als andere?

Das kann nur peinlich werden, wenn man ihm sagt, was er eigentlich macht.

Wenn man aus dem zeitlichen Abstand zurückguckt - was war

seine größte Stärke?

Seine Offenheit, sein Vertrauen. Er ist neugierig wie ein kleiner Junge oft, verschmitzt, kann zuhören, ist sehr lernfähig.

Und was erscheint Dir als seine größte Schwäche?

Das möchte ich an seinem Geburtstag nicht sagen.

Hat Koschnick als Bürgermeister Bremen mit-gestaltet?

Er hat das Rathaus offen gehalten. In Bremen gibt es kurze Wege: Wo ein Anliegen ist, trauen sich die Menschen, bis zum Bürgermeister zu gehen. Möglicherweise war Kaisen da entscheidend gewesen, aber das war auch für Koschnick prägend. Wenn Koschnick heute irgendwo hinkommt, wird er freudestrahlend begrüßt. Das ist einer, der sich nicht abgekapselt hat. Das ist typisch Koschnick.

In der Fraktion in Bonn hat er wenig Freunde. Kannst Du dir vorstellen, daß er bereut, aufgehört zu haben?

Nein.

Ist es nicht schön, so eine satte Bürgermeister-Position zu haben?

Das ist auch schön, aber es ist auch schwer. Sich um tausend Sachen kümmern zu müsen, mit tausend Menschen reden, wo kein offenes und normales Gespräch möglich ist. Die Leute in der Umgebung wollen was, schmeicheln, Ehrlichkeit gibt es kaum einmal. Auf die Dauer ist das unerträglich. Für Koschnick war es natürlich ein Gewinn, daß er das Amt dann niedergelegt hat. Er hat gespürt, das bekommt mir nicht mehr. Es geht ihm seitdem besser, gesundheitlich und seelisch. Er ist eine schwere Last losgeworden.

Fragen: K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen