Keine Herren der Ringe

Der Pott planscht auch zur Olympia-Bewerbung durch alle Vorurteile: Provinz mit Sportplatz  ■  PRESS-SCHLAG

Das Programm war von dieser kleinkarierten Tristesse der Kaninchenzüchter-Bekanntmachungen im Infokasten des Kleingartenvereins „Glück auf“ in Oer-Erkenschwick: „The Initiativkreis Ruhrgebiet presents you“ - im unauffälligen Billigfaltblatt - „the following programm: Tour de Ruhr - Have an exciting tour through the Ruhr!“ Die Gelegenheit war günstig. Tischtennis-Cracks, Medienmenschen und Funktionäre weilten zum Zwecke einer Weltmeisterschaft in der Dortmunder Westfalenhalle. Denen wollte man es zeigen: die schönsten Ecken einer wildgewordenen Industrieregion, die sich - neben Hamburg, Frankfurt und Stuttgart - ab dem Jahr 2000 um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele bewerben möchte. Guckt mal, es gibt doch auch Bäume im Pott.

Die geladene Pingpong-Elite jedoch befürchtete offensichtlich feuchte Füße und enthielt sich der Teilnahme. Das mag zum einen an der Unattraktivität der Einladung gelegen haben, zum anderen aber auch daran, daß selbst bei Einheimischen Verwirrung ob der Zahl der an der Olympia -Werbung beteiligten Komitees, Vereine und Institutionen herrscht. Den Initiativkreis Ruhrgebiet, den pro Ruhrgebiet e.V., den Arbeitskreis Olympia im Ruhrgebiet und den Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) verbinden lediglich die pompösen Namen, das Täppische der Selbstdarstellung und die Tatsache, daß sie der Region einen Bärendienst erweisen, indem sie sie genauso repräsentieren, wie alle es erwarten: kleingeistig, provinziell, reduziert auf Essentials (Faltblatt, Film, Tour de Ruhr).

Statt das schmuddelige Underdog-Image werbepsychologisch in eine bodenständige Revier-Identität zu verdrehen, verweist man auf die erhebliche Zahl an Stadien, Turnhallen, Autobahnen und Hotels, auf die erhebliche Zahl berühmter Athleten und die erhebliche Sportbegeisterung der Eingeborenen. Die bisher einzige KVR-Glanzleistung, die „Ein starkes Stück Deutschland„-Kampagne, hatte übrigens eine eigens damit beauftragte Werbeagentur besorgt.

Auch zur Pressekonferenz „Olympia-Bewerbung incl. Mittagessen“ sitzt eine beachtliche Reihe von Anzügen auf dem Podium, deren Zuordnung zu den unterschiedlichen Ruhrgebietsorganisationen mir erst kurz vor der Einladung zum Lunch gelingt. Offensichtlich ging es den Kollegen ähnlich. Sie zitierten im wesentlichen die Herren Ogimura (Präsident des Tischtennis-Weltverbandes) und Gäb (Präsident des DTTB). Im Gegensatz zu den grauen Reviermäusen verbreiten die wenigstens den professionellen Charme des Top -Managers.

Bezeichnend, daß die Journalisten aus aller Welt lediglich nach der Revier-Reklame gar fürnehm zur Tafel gebeten wurden. Während der anderen WM-Tage gab's bloß Müller-Milch, Wasser und Limo, belegte Brötchen dagegen zum Freundschaftspreis von 2Mark 50.

Der Promotion-Film vor dem Lunch erwies sich darüber hinaus als ästhetisch drittklassig. Statt Weltoffenheit, Großmut und Esprit gab es abgefilmte Turnhallen und Standbilder einer ewig gestrigen Region zu besichtigen. Da wird niemand überzeugt vom strukturwandelnden Aufbruch der ollen Industrieregion, die in all ihrer Infrastruktur-Herrlichkeit die Olympischen Spiele selbstredend ausrichten könnte.

Wenn sie sie erstmal bekäme. Die Revierbürgermeister haben sich „ohne Differenzen“ ausgerechnet auf Gelsenkirchen als Bewerberstadt geeinigt: ein garantiert flair-freies, international gemeinhin unaussprechliches und für nichts bekanntes Dorf in der Nähe von Schalke mit Parkstadion (70.000 Plätze) als Heimat der Welt. Auf Dortmund (KVR: „Der Name der Rose ist Dortmund“) mit immerhin europaweit bekannter Westfalenhalle, Pils, BVB und 49 Prozent Grünfläche ist offenbar niemand gekommen. Schließe ich mich also abschließend dem alten 'Sounds'-Wahlspruch an: „Warum sind nur außerhalb Hamburgs alle Leute so schrecklich dumm?“

Petra Höfer