piwik no script img

Einfarbige Grüne

Hegemoniestreit unter Europas Grünen  ■ K O M M E N T A R E

Rot-Grün - die Frage bewegt Kader wie Klientel der grünen Partei diesseits des Rheins. Rot-Grün - da blicken grüne Gemüter auf Berlin und Frankfurt, schielen schon nach Bonn. Doch der Gockel, dessen Brust und Kamm da in Erwartung regierungsamtlicher Potenz schwellen, vermag nicht über den Kirchturm hinauszublicken, auf dem er sitzt.

Der Wind weht nämlich demnächst wieder mal aus dem Westen, über den Rhein hinüber. Vor lauter Rot-Grün-Rummel ist den bundesdeutschen Grünen - die werden noch lernen, daß Brüssel wichtiger ist als Dahlem oder Bockenheim - völlig entgangen, daß sich hinter ihrem Rücken auf europäischer Ebene ein zweiter Typus der Grünen-Partei herausgebildet hat. Auch dort stellt sich die rot-grüne Frage, allerdings auf andere Art: Welche roten Tupfer wollen sich Europas Grüne noch leisten? Welche politischen Felder (Rassismus, Militärpolitik, soziale Dimension) überhaupt noch beackern neben dem Schrebergärtchen rein-ökologischer Themen? Das Modell der auf klassische Umweltfragen reduzierten Grünen -Partei macht in Frankreich Furore. Auch Italiens, Irlands, Großbritanniens, Belgiens Grüne werden immer einfarbiger. Bald bleibt von Programmatik womöglich nur noch Wahl -Pragmatismus übrig.

Die Erfolge von „Les Verts“ in Frankreich stellen die bundesdeutsche Schwesterpartei vor eine ungewollte Herausforderung. Sie muß den Dialog mit den anderen Euro -Grünen jetzt suchen, wenn sie ihre politische Isolation auf der europapolitischen Bühne verhindern will. Gleichzeitig schneidet die heute in Paris formulierte reingrüne Parteiprogrammatik auch ins Fleisch der hiesigen Partei. „Les Verts“ proklamieren die Abnabelung von der linken Vergangenheit. Damit stoßen sie ins gleiche Horn wie ein Teil der westdeutschen Realos. Wer wäre bisher auf den Gedanken kommen, den grünen Zeitgeist ausgerechnet in Paris zu suchen?

Georg Blume/Thomas Scheuer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen