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Kein Jugendvorbild

Konstanzer Abiturienten gaben Abi-Auszeichnung zurück / Der Namensgeber war Nazidichter  ■  Aus Konstanz Holger Reile

Der Kulturausschuß des Konstanzer Gemeinderates war sich am 6. April weitgehend einig: Der 1969 verstorbene Konstanzer Dichter Wilhelm von Scholz kann kein Vorbild für die Jugend sein. Der Wilhelm-von-Scholz-Preis, der seit 30 Jahren an Konstanzer Abiturienten für das beste Deutsch-Abitur vergeben wird, soll so nicht mehr weiterbestehen. Den Namen des umstrittenen Dichters will man nicht mehr mit einer Auszeichnung für Abiturienten in Verbindung bringen. In Zukunft soll nur noch ein „Konstanzer Abiturientenpreis“ vergeben werden. Der Wilhelm-von-Scholz-Preis war überregional ins Gerede gekommen, als bekannt wurde, daß der Dichter auch noch gegen Kriegsende in mehreren Texten das Naziregime verherrlicht hatte. Darauf gaben mehrere Schüler ihre Auszeichnung zurück.

Das letzte Wort in der in Konstanz heiß diskutierten Angelegenheit hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 20. April. Doch ist davon auszugehen, daß der Beschluß des Kulturausschusses nicht mehr geändert wird. Überraschend meldete sich während der Ausschußsitzung eine Nichte des Dichters per Fernschreiben. In harschem Ton forderte sie die Ausschußmitglieder auf, „ihre Beurteilung genau abzuwägen, ohne sich von ultralinken Schmierern beeinflussen zu lassen, die das einmalige deutsche Sprachgut des Dichters Wilhelm von Scholz überhaupt nicht beurteilen können“.

Der Antrag der „Freien Grünen Liste“, den Wilhelm-von -Scholz-Weg umzubenennen, wurde vertagt. Auch eine Tischvorlage der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) wurde nicht diskutiert. Die VVN hatte angeregt, den Wilhelm-von-Scholz-Preis in einen „Otto -Marquard-Preis“ umzutaufen. Otto Marquard war ein bekannter Bodenseemaler und überzeugter Pazifist, der während der Nazizeit viele Regimegegner über den See in die Schweiz gerudert hatte.

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