Feierlichkeiten mit Geburtstagsparty und Teach-In

Die taz feierte am Wochenende ihren zehnjährigen Geburtstag und die Jungalkoholiker-Szene feierte mit / Großes Fest mit Musik und Tanz im Berliner Alternativzentrum Tempodrom / Große Erschöpfung der Sonntagsschicht  ■  Aus Berlin Ursel Sieber

Eigentlich sollte die taz von heute von ehemaligen tazzlerInnen gemacht werden - doch die meisten Veteranen hatten gestern morgen dann doch einen dicken Kopf und blieben einfach im Bett. Also mußten die tazlerInnen selber in die Tasten greifen - trotz des vielen Sekts, der in den letzten beiden Nächten durch ihre Kehlen geflossen war.

Die taz hat nämlich heute Geburtstag, und dieses medienpolitische Ereignis sollte natürlich gebührend gewürdigt werden. Schon am Freitag abend knallten die ersten Sektkorken: „Alle Freundinnen und Freunde des Hauses“ waren am Abend zur „Geburtstagsparty auf der Baustelle“ eingeladen - in das ehemalige Berliner Zeitungsviertel also, wo die taz im Sommer ihr eigenes Verlagshaus beziehen wird. Zu den Freundinnen und Freunden des Hauses gesellten sich alsbald auch einige ungebetene Gäste, die den auf Fest und Feiern eingestimmten tazlerInnen den Abend über erhalten blieben.

Das neue taz-Imperium liegt jetzt in Kreuzberg, in dem Stadtteil Berlins, wo die taz von links am heftigsten kritisiert wird, und die Parole „Zehn Jahre taz sind genug“ großen Beifall findet. Die wenigsten tazlerInnen hatten wohl damit gerechnet, daß sich ausgerechnt die „Jungalkohliker -Szene“ vom Kreuzberger Heinrichplatz für das Betriebsfest interessieren würden. Der Berliner 'Tagesspiegel‘ steckte die ungebetenen Gäste zwar in die Schublade „autonome Szene“ - doch schon bald war klar, daß sich das Anliegen der allermeisten auf die Parole „Freibier“ reduzierte.

Eine „Frauenkette“ versuchte, die BesucherInnen wieder hinauszdrängen, scheiterte aber kläglich. Es folgten Anrempeleien, Flaschen flogen durchs Fenster, die Polizei rückte an, die tazlerInnen sagten, die Gäste würden jetzt „geduldet“, und diese erbeuteten wiederum ein Faß Bier und zogen damit vorübergehend von dannen.

Am nächsten Morgen wurde dann in einer Art „Teach-in“ über die Entwicklung und Zukunft der Zeitung diskutiert. Die Diskussion mochte allerdings nicht so recht in Gang kommen, vielleicht auch deshalb, weil der Saal in der Kongreßhalle vor Leere gähnte: Das öffentliche Interesse war geringer als gedacht. Christian Ströbele, auch der „Papa“ der taz genannt, beklagte „die politische Verengung des Meinungsspektrums“, die die Entwicklung hin zu einer Erstzeitung, die „Professionalisierung“, mit sich gebracht habe: „Das Linke, das Radikale an der Zeitung ist weitgehend verlorengegangen“, sagte Ströbele. Er verwies darauf, daß er die taz einmal mitgegründet habe, weil es keine Zeitung „links von der Regierung“ gab. Darauf müsse sich das Projekt besinnen, gerade jetzt, wo die Zeitung in Berlin unversehens zum Regierungsblatt avancierte. Thomas Hartmann, kurz „thoha“ genannt, der ein paar Jahre lang als heimlicher Chefredakteur die Entwicklung des Blattes bestimmte und sich schließlich als „enttäuschter Liebhaber“ von dannen machte, hielt dagegen: Die taz habe zwar nur als selbstverwaltetes Projekt entstehen können, aber gerade das betrachte er heute als den „Geburtsfehler“ der Zeitung - das also, was den großen Sprung nach vorn behindert. Seine Lösung: stärkere Hierarchie.

Eine Debatte, die innerhalb der taz schon tausendmal geführt worden ist und die tazlerInnen selbst zur Diskussion nicht so richig animierte. Auch die Außenstehenden mischten sich nicht ein: Die Journalistin Pieke Biermann betonte, das Problem der taz sei oft allein die journalistische Qualität und das inhaltliche Niveau: Sie raufe sich manchmal allein wegen der Sprache oder falscher Bilder die Haare.

Was aus den Beiträgen zur Zukunft der taz herausragte, war das brillante Refererat der Berliner Femininistin und Professorin Tina Thürmer-Rohr: Die Philosophie der Zunkunft sei feministisch, sagte sie, allerdings werde der Feminismus auch von linken Männern als Ressentiment von zukurzgekommenen Frauen mißverstanden. Eine Zeitung wie die taz müsse auf die Veränderung des (weißen) Kulturproduzenten Mann und der (weißen) Kulturtransporteurin Frau abzielen. Mit der vor acht Jahren eingeführten Quotierung habe die taz gerade die „selbstverständlichste“ Vorbedingung erfüllt. Dankbar, so ermahnte sie die taz-Frauen, müssten sie deshalb den Männern nicht sein. Denn, so fügte sie hinzu, „mit ihr geht es erst los“. Bislang habe sie große Zweifel, ob die Veränderung männlichen Verhaltens nicht doch nur eine kurzatmige opportunistische Geste darstelle.

Dieser Zukunftsentwurf für die taz war sicherlich eher abstrakt formuliert - doch niemand machte sich richtig die Mühe, die Verbindung zum Konkreten herzustellen. Dabei hätte die Veranstaltung selbst genügend Stoff geboten: Auf dem Podium entzwickelten zwei taz-Männer die Strategien für das Blatt, die Seite der Frauen kam nicht vor. Die meisten (männlichen) Redner verlegten sich schnell auf die aus ihrer Sicht notwendigen Schritte: Eine Hierarchie, die sich jedoch legitimieren muß, war ein immer wiederkehrendes Stichwort.

Abends dann das große taz-Fest im „Tempodrom“, im Kulturzelt der Berliner Alternativszene. Glanzstück des Abends war die „Truppe Wolschanski“ aus Moskau, die mit Schwung und Pendelakrobatik beeindruckte: Das Schauspiel zeigte, wie sich Prometheus unter Aufbietung seiner ganzen Kraft zum Himmel schwang, um dort für die Menschen das Feuer zu holen.

Zum Programm gehörte auch eine Art „Talkshow“ zur Zukunft

der taz, mit der Journalistin Peggy Parnass, Jürgen Elitz

vom Süddeutschen Rundfunk, 'Lui'-Herausgeber Heinz von

Nouhuys, Pieke Biermann und Bommi Baumann. Peinlich und

empörend fanden jedoch

einige taz-Frauen, daß ausgerechnet der Autor des berühmt gewordenen „Gernot Gailer„-Artikels auf dieser Talkshow auftreten durfte: Taz-Frauen hatten diesen Beitrag damals als männliche „Wichsvorlage“ bezeichnet, und waren daraufhin in den ersten Frauenstreik des Projekts getreten. Der Artikel müsste eigentlich heute -in seiner vollen Länge noch einmal erscheinen, verkündete Gernot Gailer alias Eberhard Kreitmeyer stolz, um dann über die Notwendigkeit von Tabubrüchen zu sinnieren. Pieke Biermann reagierte gelassen: Eigentlich müsse die taz mit der Mode des Tabubrechens brechen - auch das sei mittlerweile ein Tabu geworden.