Menschen, Tiere, Sensationen

Rivalen der Rennbahn: eine Fernsehserie schlägt die Brücke von Thomas Fritsch zu Ben Johnson  ■  PRESS-SCHLAG

Funktionäre und Repräsentanten des Pferdesports, allen voran Ex-Talkmaster, Ex-Sänger, Ex-Bundespräsident und Ex -Krawattenträger des Jahres, Walter Scheel, wiehern vor Freude: Während der zur Weizsäcker-Mitwahl auserkorene Littbarski seine Flanken vor leeren Rängen schnibbelt, stürmen die Massen auf die Rennbahn. Sie wollen zuschauen. Wem? Den Pferden?

Vielleicht auch. Mehr noch aber wollen sie die Reichen sehen, die im Grunde - und einmal mehr bestätigt das Fernsehen per Familienserie, was wir alle doch schon geahnt haben - so sind wie die Bäckersfrau nebenan und der Kioskbesitzer um die Ecke, nur eben reicher.

Schuld an diesem Boom ist Thomas Fritsch, den es tatsächlich noch gibt und der immer noch so aussieht, wie sich eine Friseuse 1965 einen Playboy vorstellte. Dieser Thomas Fritsch hat nun seine Liebe entdeckt, komischerweise nicht zu Sabine Sinjen, die so gut zu ihm passen würde, sondern zu einem Pferd; und das nicht nur im Fernsehen, sondern auch im richtigen Leben, wie es der gewichtige Jockey-Darsteller von 'Hör Zu‘ bis Günther Jauch allen versichert, die es nicht hören wollen.

In dieser tristen Welt sind eben die letzten ehrlichen zwischenmenschlichen Beziehungen nur noch zu Tieren herstellbar. Thomas Fritsch als endliche Überwindung der anthropozentrischen Weltsicht.

Deutsche Fernsehserien sind bekanntlich immer so, daß etwa die komplette evangelische Kirche jubiliert, wenn sie von Pfarrhäusern handeln. Vorher wurde da noch gezittert, denn die barschelerprobte Hamburger Kampfpresse hatte gerade begonnen, sich und ihren kostspieligen Journalismus auf dieselbe Bahn zu werfen. Neue Skandale waren in Sicht: „Neue Heimat“ (für die Pferdenamen verbürge ich mich nicht) wurden die Beine vereist, „Gaddafi“ wurde gedopt, „Flick“ hatte weiche Flanken und „Messerschmitt-Bölkow“ verhärtete Muskeln. Genug Stoff für ein ordentliches Drehbuch wäre da zusammengekommen. Schon kräuselte Pferdenarr Walter Scheel passend zum Nackenhaar die Sorgenstirn, da nahte Thomas, der Retter.

Vorbei sind die Zeiten, als „Mister Ed“ noch die blöde vermenschlichte Tierwelt spielen mußte, längst sind die Verhältnisse umgedreht. Zeitgleich mit dem Serienstart wurde bekannt, daß Ben Johnson, der Mann, den sie im Gegensatz zu dem Kubaner Juantorena nie Pferd nannten, nicht nur Spritzen bekam, das weiß ja jeder, sondern Substanzen und Rationen, die eigentlich den Nachfahren von Halla und Acatenango vorbehalten waren. Auch der gedopte Mensch ist ein Mensch und würdig, daß wir unseren Humanis-mousse über ihn ergießen. Oder sollten Trakls Verse Schön ist der Mensch und erscheinend im Dunkel / Wenn er staunend Arme und Beine bewegt / Und in purpurnen Höhlen stille die Augen rollen. Etwa ausgerechnet für Ben Johnson nicht gelten?

Wie aber - und so lautet jetzt das Rätsel für alle Serienfreunde - wird der Jockey Thomas Fritsch darauf reagieren, daß Ben Johnson als der eigentliche „Rivale der Rennbahn“ dasteht. Wird er Ben Johnson tätscheln oder tadeln.

Bernd Gäbler