Amnesty zweifelt an SAS-Version

Bericht der Organisation zum Tod dreier IRA-Leute in Gibraltar / Mordauftrag für die britischen Sondereinheiten SAS nicht ausgeschlossen / Überprüfung der Untersuchungen gefordert  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die drei unbewaffneten Mitglieder der Irisch -Republikanischen Armee (IRA), die vor einem Jahr in Gibraltar von der britischen Sondereinsatztruppe SAS erschossen wurden, hätten möglicherweise ohne Risiko verhaftet werden können. Das geht aus einem am Montag in Bern veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation amnesty international hervor. Amnesty hatte im letzten September Beobachter zur gerichtlichen Klärung des Tathergangs in die britische Kronkolonie entsandt. Die Geschworenen entschieden damals mit einer Mehrheit von 9:2 Stimmen, daß der SAS „rechtmäßig gehandelt“ habe.

Das Verfahren wurde von einer bösartigen Pressekampagne gegen die Zeugen und Zeuginnen begleitet, die ausgesagt hatten, daß sich die IRA-Mitglieder bereits ergeben hatten, als sie erschossen wurden. Die britische Regierung Thatcher hatte aus „Geheimhaltungsgründen“ die Untersuchung behindert und verweigerte jegliche Information über die Planung und Strategie des SAS-Einsatzes sowie die Aussagekraft der nachrichtendienstlichen Informationen.

Amnesty international bemängelte in ihrem Bericht die Benachteiligung der Anwälte, die die Familien der getöteten IRA-Leute vertraten. Die schriftlichen Zeugenaussagen wurden ihnen erst in letzter Minute ausgehändigt, so daß eine Vorbereitung auf das Kreuzverhör unmöglich war. Außerdem erhöhte das Gericht ohne jede Erklärung die Gebühren für Transskripte der Gerichtsverhandlung von 30 Pfennig pro Seite auf 15 Mark.

In dem Bericht von amnesty international heißt es weiter, daß die gerichtliche Untersuchung dadurch behindert worden sei, daß die Aussagen der spanischen Polizei über die Überwachung der IRA-Einheit vor deren Einreise nach Gibraltar fehlten. Die spanischen Beamten hatten deshalb nicht ausgesagt, weil das einer Anerkennung der britischen Rechtshoheit über Gibraltar gleichgekommen wäre. Die Rechtfertigung der SAS-Soldaten beruhte zum großen Teil darauf, daß die spanischen Behörden die Zusammenarbeit verweigert hätten. Deshalb hätte das IRA-Trio nicht beim Überschreiten der Grenze verhaftet werden können. Allerdings sind im März diesen Jahres 22 spanische Polizeibeamte „für besondere Verdienste auf dem Gebiet der Überwachung“ ausgezeichnet worden. Diese Polizisten haben ihre britischen Kollegen nicht nur ständig über den Aufenthaltsort der IRA -Mitglieder informiert, sondern auch darüber, daß das Trio unbewaffnet war und keinen Sprengstoff bei sich hatte.

Amnesty international forderte eine umfassende Überprüfung der Untersuchungsverhandlungen für die Ereignisse in Gibraltar und ähnlicher Fälle in Nordirland, da es aufgrund der vorliegenden Informationen und der widersprüchlichen Zeugenaussagen unmöglich sei, ein korrektes Bild vom Tathergang zu geben.