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Hanseaten in Litauen

■ Die „Scraps“, Independent-Band aus Bremen im Vaterland des Sozialismus / Erfahrungen zwischen Moskau und Litauen / „Bix“, eine litauische Band als Reisemitbringsel

Auf dem „Off-Breminale-Sam pler“ hatte er sie gehört, der Beitrag der „Scraps“ war ihm aufgefallen, und da hat er sich gleich an sein Telefon gesetzt und versucht sie in seine Heimat zu locken. Marius B veranstaltet in seiner litauischen Heimat Konzerte mit Bands aus dem Independent-Bereich und er tut das an den Intentionen und Institutionen der offiziellen Musikveranstalter, an den Komsomolzen vorbei. Dieses Frühjahr organisierte Marius B mit Mitteln des litauischen Kulturfonds eine Tournee mit 4 Bands aus Litauen, Polen, Holland und den „Scraps“ aus Bremen, die gemeinsam drei Tage in Moskau und sechs in Litauen verbrachten.

Moskau

„Die ganze Fahrt war so spannend, weil wir in zwei verschiedene

Welten kamen: Wir kamen zuerst nach Moskau - ein Moloch ist das, eine Stadt, Zentrum schön geputzt, Roter Platz alles schön. Aber wie wir kämpfen mußten - um Nahrung zu bekommen, um rauchen zu dürfen, um lachen zu dürfen manchmal, das war manchmal ziemlich hart, das war nicht die große Herzlichkeit, die wir glaubten, daß sie da sein würde.“ In“ Moskau, das war eine Fehlorganisation sondergleichen. Es waren vier Konzerte eigentlich angesagt, das erste fand statt in einem Saal für über tausend Leute, sechzig sind gekommen. Da haben sie irgendsoeinen Saal gemietet, keine Werbung gemacht und die anderen Konzerte wurden alle abgesagt.“

Publikum

Nach jedem Auftritt kamen die Leute zu uns in die Garderobe, haben nach falschen Pässen gefragt,

ob sie mit uns Kontakt haben können, ob wir sie einladen können. Wir haben viel mit Jugendlichen geredet, wobei uns aufgefallen ist, daß die unheimlich erwachsen sind, schon mit sechzehn haben die ein Problembewußtsein, was hier manche mit fünfundzwanzig, dreißig nicht haben, die sind einfach viel mehr konfrontiert mit den alltäglichen Problemen.“

Strukturen

„Erschreckend fand ich, daß sich gerade in Moskau viele Klischees bewahrheitet haben. Man konnte da richtig ein Zwei -Klassen-System sehen. In Moskau und auch in anderen Städten läuft sehr viel über Bestechung. Man hat Gefühl, das ganze System steht kurz vor dem Zusammenbruch. Weil das System von der Struktur her nicht mehr funktioniert, gehen die Menschen andere Wege, damit es doch funktioniert, weil es funktionieren muß. Wenn man was zu essen haben will, wenn man ein Hotelzimmer haben will, wenn man von der Bürokratie

einen Stempel haben will, dann muß man wissen zu welchen Schaltern man geht und sein Geld da hinlegen. Das sind lauter so veraltete Strukturen und bei den jungen Leuten in Moskau war da auch der Wille, das zu verändern. Bei den älteren gibt es den kaum, da gibt es einen verschrobenen Konservatismus, der gar keinen Sinn ergibt, ein an alten Werten Hängen, das unverständlich war.“

Jugendliche

„Wir haben Jugendliche auf der Straße kennengelernt und die dann abends zu uns ins Hotel eingeladen. Sonst läuft sehr viel privat ab, daß die sich privat treffen und feiern.“ „In den Cafes, da redet kein Mensch, da stehen die auch alle schweigend in der Schlange warten, bis sie ihren Kaffee abholen können, die setzen sich schweigend an einen Tisch, sitzen da zu dritt, zu viert und keiner spricht ein Wort. Wir fielen da ganz schön aus der Rolle, wir saßen am Tisch, noch einen Kaffee geholt und wie man

sich in einem Cafe benimmt. Die fanden das nicht so gut, wir wurden auch schon öfter gemaßregelt von wildfremden Leuten, denen das nicht gepaßt hat, daß wir gerade an der Stelle standen . Immer wenn wir gerade gelacht haben, dann kam einer an und hat wieder geschimpft mit uns.“

Bix

„Die Gruppe 'Bix‘ war die erste Gruppe, die wir da gehört haben, die was völlig Eigenständiges macht, das kommt durch ihre Situation in Litauen, diese Unabhängigkeitsbestrebungen, die eigene Sprache, dieses Bedürfnis, auch etwas eigenes zu machen und auch in der Musik einen Inhalt zu haben, einen Inhalt, der auch in der Musik die Unterdrückung hörbar macht. Und deshalb hat ihre Musik eine innere Stärke, was bei den anderen russischen Bands, die nur westliche Gruppen imitieren, völlig fehlt.„

step

„Bix“ spielt am Freitag den 21. ab 21 Uhr im „New Tips“, Buchtstr.

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