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Besetzer verurteilt

■ Sechs Kurden wurden gestern wegen Nötigung zu Bewährungsstrafen verurteilt / Sie hatten im letzten Jahr das dpa-Büro besetzt / Die Besetzer sollen mit einem Hungerstreik gedroht haben

Weil sie im Berliner Landesbüro der Deutschen Presseagentur (dpa) den Abdruck eines Flugblattextes gefordert hatten, wurden gestern sechs Kurden von einem Moabiter Schöffengericht wegen versuchter Nötigung zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Die Kurden waren am 20.Oktober 1987 gegen 10 Uhr morgens im dpa-Büro am Savignyplatz einmarschiert und dort 40 Minuten geblieben bis sie von der Polizei geräumt worden waren. Sie hatten verlangt, daß dpa über Fernschreiber eine Protesterklärung der ERNK (Europavertretung der nationalen Befreiungsfront Kurdistan) gegen die Beschlagnahmung von 700.000 Mark kurdischer Spendengelder veröffentlich.

Die Spendengelder, die in der BRD für hilfsbedürftige Kurden in der Türkei gesammelt worden waren, waren von der Generalbundesanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen eine Unterorganisation der kurdischen Arbeiterpartei PKK beschlagnahmt worden. dpa -Redakteur Neide hatte es seinerzeit als Chef vom Dienst strikt abgelehnt, die Erklärung abzusetzen. Gestern als Zeuge vor Gericht, erläuterte er seine Entscheidung mit den Worten: „Es kommt für uns nicht in Frage irgendetwas unter Zwang in unser Nachrichtensystem aufzunehmen.“ Neide berichtete, daß die Kurdengruppe darauf angekündigt habe, die nächsten 48 Stunden das Büro nicht mehr zu verlassen. Nach mehrmaliger Aufforderung, den Raum zu verlassen, hatte der Redakteur schließlich die Polizei gerufen und den für die Räumung erforderlichen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt. Der Strafantrag war von dpa später wieder zurückgenommen worden.

Anhängig blieb gegen die Besetzer jedoch ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Nötigung. Sie sollen nicht nur mit einer Besetzung des Büros gedroht haben, sondern auch damit, in einen Hungerstreik zu treten. Das wurde von sechs Kurden gestern jedoch entschieden dementiert. Demgegenüber sagte ein zwischenzeitlich bereits verurteilter Mitbesetzer gestern als Zeuge aus, es sei geplant gewesen, das Büro solange zu besetzen bis das Flugblatt veröffentlicht sei. Vier der Beschuldigten wurden zu zwei Monaten auf Bewährung verurteilt, die beiden anderen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten. Sie waren bereits wegen der Besetzung des Büros der türkischen Luftfahrtgesellschaft im März 1987 zu jeweils vier Monaten verknackt worden.

plu

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