piwik no script img

Kohls Eiertanz um Wackersdorf

Kohl spricht beim deutsch-französischen Gipfel von Wiederaufarbeitung in Wackersdorf und La Hague  ■  Aus Paris Georg Blume

Kein klares Kanzlerwort zum Weiterbau in Wackersdorf gab es gestern auf dem deutsch-französischen Gipfel. Statt dessen propagierte Kohl in Paris ein „Entsorgungskonzept mit zwei Säulen“ - Standorte für Wiederaufarbeitungsanlagen sowohl in Wackersdorf als auch im französischen La Hague. Dieses „Zwei -Säulen-Konzept“ soll das nationale Entsorgungskonzept für die deutschen AKWs ablösen. Eine deutsch-französiche Kommission soll innerhalb von zwei Monaten die geplante Beteiligung des Veba-Konzerns an der Anlage in La Hague prüfen.

Das war „keine Wackersdorf-Konsultation“, polterte der Kanzler zum Ende der Gipfelkonferenz. Es ginge um mehr als Wackersdorf, um „langfristige Entscheidungen von allergrößter Bedeutung“. In einer gemeinsamen Erklärung bekundeten Frankreich und die Bundesrepublik ihre Absicht zur „Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie“. Die Atomachse Bonn-Paris, mit der man bisher vor allem im militärischen Bereich mehr oder weniger ernsthaft spekulierte, wird nach dem Willen von Kohl und Mitterrand zuerst auf den Rädern der zivilen Atomenergie rollen.

Rosarot malten Kanzler Kohl und Staatspräsident Mitterrand die neue, deutsch-französische Zukunft der Atompolitik. Kohl hoffte, daß nunmehr auch im Bereich der Atomenergie „eine sehr enge Ver Fortsetzung auf Seite 2

Interview mit Frankreichs Atom-Papst Seite 11

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

bindung zwischen Frankreich und der Bundesrepublik wachsen werde“. Mitterrand wünschte sich auf Anfrage der taz „ein Europa, das die Atomkraft im guten Sinne beherrscht, was unteilbar mit dem guten Umgang mit der Umwelt verbunden ist“.

Den deutsch-französischen Willenskundgebungen zur Zusammenarbeit bei der Atomenergie kommt insofern Bedeutung zu, als beide Regierungen bisher ausschließlich von ihren „nationalen“ Energie-, Entsorgungs- oder AKW-Bau-Konzepten schwärmten. Hintergrund der gemeinsamen Regierungserklärung sind dabei die Vereinbarungen in der

Privatindustrie: zwischen Veba und der französischen Cogema zwecks der gemeinsamen Brennstoff-Wiederaufarbeitung in La Hague einerseits, zwischen Siemens und der französischen Framatome zwecks gemeinsamem Reaktorexport andererseits.

Nicht im Detail, sondern im Tenor des deutsch-französischen Gipfels lag gestern in Paris die Würze. Kohl sprach von der „großen Chance“ für beide Länder, die er in der Absichtserklärung von Veba und Cogema sähe. In Sachen Wackersdorf hält er sich mit diesen Erklärungen nach wie vor alle Türen offen, gleichzeitig aber er läßt er die Tendenzwende seiner Atompolitik erkennen. Von einem „nationalen Entsorgungskonzept“ war in Paris von keiner Seite mehr die Rede.

Zwei Monate haben sich die Regierungen jetzt Zeit gegeben, um zu der Absichtserklärung von Veba und Cogema Stellung zu beziehen. Solange wird Kohl in der Wiederaufarbeitungsfrage auf zwei Säulen tanzen können, dann wird ihn nicht zuletzt Veba-Chef Bennigsen-Foerder vor die Entscheidung stellen. Der hatte beide Wiederaufarbeitungsmöglichkeiten, La Hague und Wackersdorf, vorzeitig ausgeschlossen.

Mitterrand betonte zudem, daß die jetzigen Vereinbarungen zur zivilen Nutzung der Atomenergie nicht mit dem nuklear -militärischen Bereich zu tun haben. „Frankreichs unabhängige Verteidigungsstrategie ist nicht betroffen.“ Diese Worte konnten noch am gleichen Tag von dem französischen Verteidigungsmini

ster Chevenement relativiert werden, der sich an anderem Ort für ein „wirkliches, militärisches EUREKA“ aussprach. Vor fünf Jahren hatte Mitterrand dieses europäische High-Tech -Projekt als ausschließlich den nicht-militärischen Wirtschaftssektor betreffende Initiative vorgestellt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen