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Leckere Schottinnen im Hollerland

■ 'Rindergilde Hollerland‘ schaffte die beiden ersten Galloways an: Mutterkuh und Kalbstochter / Wuschelig, leichtfüßig und überaus lecker / Modell für umweltschonende Beweidung der nassen Flächen

Im April-Regen sahen sie noch viel nasser und - für Städterinnen-Augen - noch viel rührender aus als die Gefährtinnen auf der Weide nebenan: weil das gelockte, wuschelige Fell strähnig tropfend aushing. Aber das schien keiner von beiden etwas auszumachen. Eher halbhoch, leichtfüßig, genügsam und dabei später mutmaßlich wohlschmeckend haben Galloway-Rinder einen ausgesprochen guten Ruf und den entsprechend hohen Preis: 4.800 Mark hat die „Rindergilde Hollerland“, eng mit der Bürgerinitiative „Zur Erhaltung des Hollerlandes“ verbunden, anlegen müssen, um die dunkelhaarige, trächtige Galloway-Kuh „Kitty“ und ihr hellbraun gelocktes Kalbstöchterchen „Karoline“ zu erwerben. Die beiden stehen jetzt ein bißchen schüchtern, ein bißchen freundlich-neugierig und überaus umweltschonend auf einer Weide des umkämpften Hollerlandes, nahe der Autobahn und neben dem Kuhgraben. Aus der noch alleinerziehenden Kitty soll in den kommenden Jahren eine richtige Herde werden.

Galloway-Rinder, benannt nach ihrem schottischen Herkunftsort, sind für die feuchten kargen norddeutschen Weiden wie geschaffen. Weil sie klein

und leicht sind, eignen sie sich auch für die feuchten Untergründe der früheren Moorflächen, verdichten und zerstören mit ihren Hufen nicht die Grasnarbe wie die schwereren 'Schwarzbunten‘. Weil sie genügsam sind, suchen sie sich nicht nur die spärlichen leckeren zarten Gräser, sondern fresssen alles - auch die harte dreiste Binse, die auf vielen Weiden schon die ursprüngliche Artenvielfalt zurück

gedrängt hat. „Degenerierung einer schutzwürdigen Landschaft“ nennt Hollerland-Kämpfer und Deichhauptmann Gerold Janssen diesen Prozeß, bei dem Weiden veröden, Gräben nicht mehr geräumt und daher Wiesen nicht mehr entwässert werden.

Bis auf zwei Ausnahmen gehört das ganze Hollerland der 'Gewoba‘ - der handtuchschmale Wiesenstreifen am Kuhgrabenweg ist im Besitz des

Deichverbandes. Vor zweieinhalb Jahren gewann Umweltschützer Janssen spektakulär die Wahl zum Deichhauptmann - da lag es nahe, daß der Deichverband die Wiese an die neugegründete „Rindergilde Hollerland“ verpachtete. Ein zweites Stück Land stellten die Kirchengemeinden Horn I und II zur Verfügung: „Sie waren sehr bereit dazu und haben uns Glück gewünscht“, berichtet Janssen.

Die Idee paßt genau ins Konzept der Umweltbehörde, die je nach Höhenlage und Feuchtigkeit der Wiesen teils nur noch Mähen, nur zeitweilig Beweiden oder bei den höhergelegenen, trockenen Flächen ganzjährige Beweidung zulassen will. Die Wiese des Deichverbandes gehört zu den am höchsten gelegenen, trockensten.

Beim späteren Vermarkten des begehrten Rindfleischs ist, so Gerold Janssen schmunzelnd, „ein ganzer Öko-Filz“ beteiligt: Deichverband und Kirchengemeiden als Verpächter, BUND, BI Hollerland, Rindergilde und die Erzeuger-Verbraucher -Gemeinschaft (EVG). Biologe und „Rindergilden„-Mitbegründer Johannes Schnettler-Wiegel plant dazu ein universitäres Projekt, das die Veränderung der Weidenflächen durch die „extensive, schonende und angepaßte Beweidung“ untersuchen soll. „Wir wollen hier nicht nur Hobby-Naturschutz betreiben“, so Schnettler-Wiegel, „sondern auch den Bauern vorführen, daß eine alternative, schonende Beweidung der oft brachliegenden Flächen möglich ist!“ Die Stimmung im und ums Hollerland ist positiv. Jugendliche aus der naheliegenden Siedlung haben Hand angelegt und Zäune gebaut; Janssen spricht schon von „Heufesten und Schlachtfesten, das wird die Kommunikation hier gewaltig fördern.“ Susanne Paa

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